Rainer W. Sauer ist seit 1975 in und mit der Verwaltung tätig. Er zählt zu den erfahrensten Verwaltungstrainern in Deutschland und ist zudem Team- und Individual-Coach. Sauer arbeitet auch als Radiomoderator, Vortrags- bzw. Keynote-Redner, entwickelt mit seinem Team Trainingsmodelle und hat 2020 CBQ Verwaltungstraining gegründet, um Führungskräfte wie Mitarbeitende der Öffentlichen Verwaltung optimal zu trainieren bzw. zu coachen. /// Anhand vielfältiger Praxisbeispiele hilft er in diesem Blog Verwaltungen dabei, Optionen zu entwickeln und diese dann in praxisorientierte Ergebnisse zu wandeln, eigene Stärken auszubauen und sinnvoll zu handeln. Dabei regt er an, keine Ausreden gelten zu lassen, Eigenverantwortung zu übernehmen und lateral zu denken. /// Sein Charisma ist auch über den Äther und im Netz zu erleben: Anfang der 2000er Jahre wurde Rainer W. Sauer für seine Radiosendungen mit mehreren Hörfunkpreisen ausgezeichnet.
„Lass dich nicht unterkriegen, sie frech und wild und wunderbar!“ (Astrid Lindgren)
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Verwaltung entwickelte sich über die Jahrtausende in vielen Epochen aus den jeweiligen Notwendigkeiten heraus. Ihre Transformation zur „Bürokratie“ war aber bis in die Neuzeit hinein verbunden mit einem Patriarchat, wie ich bereits an anderer Stelle berichtete. Bis ins ausgehende 19. Jahrhundert herrschte in der öffentlichen Verwaltung „Zucht und Ordnung“ und Frauen waren – auch aus dem Menschenbild der damaligen Zeit heraus – in öffentlichen wie privatwirtschaftlichen Verwaltungen kaum vorstellbar. Erst mit dem Erstarken der Frauenbewegung änderte sich das und in die reine Männerwelt der Sekretäre und Schreiber hielten mehr und mehr Frauen Einzug, was durchaus auch mit der Verbreitung der Schreibmaschinen zusammenhing.
Neben Schreibkräften und dem sprichwörtlichen „Fräulein vom Amt“ bei der Telefonvermittlung nahm langsam aber stetig auch die Zahl der „Vorzimmerdamen“ zu, die anfangs im Männerclub allerdings quasi nur eine Ausführerin des Willens der Geschäftsführung darstellten, ohne eigene Rolle. Frauen als Angestellte in verantwortungsvollen Positionen oder höheren Verwaltungslaufbahnen waren auch bis weit ins 20. Jahrhundert kaum zu finden. Beamtinnen? Undenkbar. Denn ein Beamter (laut „Der große Duden“ Ausgabe 1958 ein substantiviertes Adjektiv, mit der Definition „männliche Person, die im Verwaltungsdienst arbeitet“) hatte seine Arbeitskraft der Obrigkeit zur Verfügung zu stellen, eine Frau dagagen konnte unmöglich zwei Herren dienen: ihrem Ehemann und dem „Vater Staat“ – so die vorherrschende Meinung. Doch ganz wie es das Patriarchat nahelegt (wörtlich übersetzt: „Herrschaft der Väter“), ging es auch im deutschen Beamtentum damals um Herrschern und Beherrschtwerden.
Dass Frauen in der damaligen Männerwelt überhaupt als geeignet angesehen wurden, in der öffentlichen Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen oder zum Erfolg eines Unternehmens beitragen zu können, lag anfangs allein an ihrer Fingerfertigkeit, die sie (Zitat aus der Dresdner Volks-Zeitung von 1911) „von der Handarbeit und dem Klavierspielen her als höhere Töchter gelernt haben“. Hierdurch hielt man sie für befähigter „eine Schreibmaschine geschickter im 10-Finger-System zu bedienen.“ Hinzu kommt, dass solche Hilfs-Dienstleistungen (Zitat: „wie gut sie tippen ist viel wichtiger, als was sie tippen“) mindestens bis zum Ende der Weimarer Republik schlecht bezahlt waren und nichts für Männer, denn diesen waren solche Tätigkeiten „kaum zumutbar“. Folglich zogen diese sich von den „mechanischen“ Arbeiten zurück und wandten sich dem „Geistig-Organisatorischen“ zu.

Noch ein wenig Statistik: Von mehr als 400 weiblichen Angestellten der Saarbrücker Stadtverwaltung, die in dem Vierteljahrhundert zwischen 1911 und 1935 dort tätig waren, arbeiteten einer Untersuchung nach rund 80 Prozent im Bürobereich, 11 Prozent im Sozialbereich während 3 Prozent im Bibliotheks- und technischen Dienst tätig waren. Und das blieb mindestens noch bis zum Ende des 2. Weltkriegs so. Ohne dass dies bis heute im Westen Deutschlands ausreichend zur Kenntnis genommen wird, entstand im anderen Teil Deutschlands nach 1945 jedoch die Situation, dass in Verwaltungen bevorzugt Frauen eingestellt wurden, so dass der Anteil weiblicher Angestellter zum Ende der DDR im Jahre 1990 in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung bei knapp über 60 Prozent lag.
Doch die öffentliche Verwaltung transformierte weiter und auch die Rolle der Frau im ÖD wandelte sich. Eine neue Verwaltungsform entsteht niemals isoliert: sie folgt den sich verändernden Organisationsformen in der Gesellschaft und passt sich als Teil dieser Gesellschaft stetig den neuen Herausforderungen an. Über die gestiegene Anforderung bei der BeamtInnenausbildung (früher Verwaltungsseminar, heute Verwaltungsfachhochschule) bis hin zu den üblicherweise kaufmännischen Ausbildungen im Verwaltungsberuf (früher Verwaltungsfachangestellte, heute Fachangestellte/r für Bürokommunikation) wurden zunehmend weibliche Mitarbeitende zu Expertinnen für ihre Arbeitsfelder. Auch durch weitere spezielle Ausbildungsgänge sowie Fortbildungsmöglichkeiten.
Der öffentliche Dienst stellt seit geraumer Zeit einen wichtigen Beschäftigungssektor für Frauen dar, die hier mittlerweile mehr als die Hälfte der Beschäftigten ausmachen. Heute scheint weniger der generelle Zugang für Frauen zum öffentlichen Dienst problematisch zu sein als vielmehr der Zugang zu bestimmten Segmenten (= horizontale Ungleichheit) und die innerbetrieblichen und -behördlichen Aufstiegschancen (= vertikale Ungleichverteilung). Ein Blick auf die zeitliche Entwicklung bzw. die unterschiedliche Altersgruppenverteilung belegt für die öffentlichen Verwaltung sogar – jedenfalls dort, wo Daten hierüber vorhanden sind – eine Verstärkung der horizontalen Ungleichheitstendenzen. In den Führungsfunktionen des ÖD sind Frauen mittlerweile insgesamt zu etwa einem Drittel vertreten; allerdings sinkt ihr Anteil an den Führungspositionen mit steigender Hierarchieebene, was leider immer noch auch am sog. „herrklären“ liegt (angloamerikanisch „mansplaining“ genannt), womit Erklärungen eines Mannes gemeint, der davon überzeugt ist, er wisse mehr über eine Sache, als sein weibliches Gegenüber, die mit der gleichen Angelegenheit befasst ist.
Im Bereich der öffentlichen Unternehmen bzw. den kommunalen Eigenbetrieben ist die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen im Übrigen noch weitaus stärker ausgeprägt als in den öffentlichen Verwaltungen. In den Aufsichtsräten der Beteiligungsunternehmen der Landeshauptstädte machen Frauen knapp 28 Prozent aus, bei den Beteiligungsunternehmen des Bundes 17,7 und Vorständen der Beteiligungsunternehmen des Bundes 8,2 Prozent . Dabei sind deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Städten zu erkennen. Die Spannbreite reicht vom Spitzenreiter Berlin mit einem Anteil von 42,8 Prozent bis zum Schlusslicht, der Hansestadt Kiel, mit 11,9 Prozent.
Geschrieben von und © 2022 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining