GENDER-GERECHTE SPRACHE | Darüber kann man streiten!

„Ich habe zum Thema ‚Gendern‘ eine Empfindung und einen Gedanken. Die Empfindung ist folgende: Sobald ich gegenderte Sprache höre oder lese wird mir körperlich übel. Und der Gedanke dazu ist: Ich halte Gendersprache für eine post-aufklärerische, neo-mittelalterliche Form von Tollwut und hoffe, dass das bald wie eine Seuche oder wie eine Mode vergeht.“ (Heinz Rudolf Kunze)

Gleich zu Anfang eine Geschichte, die so tragisch ist, dass sie hoffentlich nie so passiert ist. Seit Jahren aber wird sie im Internet so oder so ähnlich weitererzählt:

Eine Mutter – sie ist passionierte Bikerin – fährt ihren Sohn zum Hockeytraining. Sie sind spät dran, doch die Mutter ist eine geübte Motorradfahrerin und deshalb drückt sie etwas auf die Tube. Kurz nach einem kleinen Wald, in einer langgezogenen Kurve, biegt ein Forstfahrzeug auf die Straße ab, ohne auf das Mottorrad zu achten. Die Maschine kommt ins Schleudern, der Sohn fliegt im hohen Bogen auf ein Feld, doch die Mutter kollidiert mit dem Holztransporter.

Notarzt und Rettungswagen jagen zum Unfallort und kümmern sich um die Verletzten. Während der Sohn mit schweren inneren Verletzungen in der Universitätsklinik eintrifft, verstirbt seine Mutter noch während des Transports. Der Sohn lebt, muss aber notoperiert werden und wird in den OP-Saal gefahren, wo schon die diensthabende Chirurgin, die zudem Professorin an der Uniklinik ist, mit ihrem Team wartet. Als sich die Chirurgin jedoch über den Jungen beugt, hört man nur noch ein entsetztes „Ich kann ihn nicht operieren – das ist mein Sohn!“. – Abschließender Hinweis: Die Professorin war mit der Mutter verheiratet.

Es ist davon auszugehen, dass Sie beim Lesen zuerst dachten, vielleicht habe sich hier ein Fehler eingeschlichen. Möglicherweise sind Sie aber auch davon ausgegangen, dass die Muter und die Professorin ein lesbisches Paar waren. Auf die Idee, dass die Professorin männlich sein könnte, sind Sie aber aller Wahrscheinlicheit nach nicht gekommen.

Die Debatte um anti-diskriminierende gender-gerechte Ausdrucksweisen und sprachliche Alternativen zu bisher gängigen Verfahensweisen wird zuweilen sehr hitzig geführt. Ich bin da nun wirklich kein Experte, nur ein logisch denkender Mensch, und als solcher möchte ich Zusammenhänge möglichst schnell verstehen und nicht erst im Fundus der gender-gerechten Sprachalternativen nach Möglicheiten forschen, wie eine solche Geschichte wirklich abgelaufen ist. Die Geschichte zeigt außerdem, dass Sprache unsere Vorstellung, unsere Gedanken und unser Verständnis beeinflusst und Vera F. Birkenbihl hätte daran ihre wahre Freude gehabt.

Viele Universitäten bemühen sich seit Jahren, Männer und Frauen sprachlich gleich zu behandeln. Schreibweisen, die beide Geschlechter einschließen, sollen hauptsächlich dafür sorgen, dass sich Frauen nicht diskriminiert fühlen. In diesem Zusammenhang gibt es Hochschulen in unserem Land, beispielsweise die Universität Leipzig, die nun der Bezeichnung „Professor“ ganz abschaffen möchten und nur noch „Professorinnen“ im Angebot haben, auch wenn sie männlich sind. Da dies aber zu allerlei Missverständmissen führte, sah sich die Leipzger Uni genötigt, am 06.06.2013 folgende Pressemitteilung 2013/178 zu veröffentlichen:

»In dieser Ordnung gelten grammatisch feminine Personenbezeichnungen gleichermaßen für Personen männlichen und weiblichen Geschlechts. Männer können die Amts- und Funktionsbezeichnungen dieser Ordnung in grammatisch maskuliner Form führen.« Hierzu stellte Beate Schückin als seinerzeitige Rektorin der Uni Leipzig in der Süddeutschen Zeitung klar: „Unser erweiterter Senat, der die Grundordnung bestimmt, hat darüber diskutiert, wie wir mit dem Thema geschlechtergerechte Sprache umgehen. Die Schrägstrichvariante – Professor/Professorin – fanden alle schrecklich. Dann die klassische Variante: Man nimmt die männliche Form und schreibt am Anfang eine kleine Fußnote, dass die Frauen sich bitte mitgemeint fühlen sollen. An dem Punkt haben mehrere Teilnehmer darauf hingewiesen, dass wir in vielen Statusgruppen, etwa bei den Studierenden, mehr Frauen haben. Deshalb wäre die klassische Variante ungerecht und die weibliche Form besser. Da haben sogar Mathematikprofessoren in der Runde gesagt: stimmt, geht beides. Ja, und dann hat sich die Mehrheit für die weibliche Version ausgesprochen.“

Sicherlich ist die Vorgehensweise, von „Professorinnen“ zu sprechen, auch wenn diese männlich sind, die Ausnahme. Sie zeigt aber auch, dass bei der Verwendung gender-gerechter Ausdrucksweisen noch Vieles unklar ist, was auch die verschiedenen Schreibweisen von Personengruppen oder -gemeinschaften zeigt. Muss man nun BürgerInnen schreiben, Bürger*innen, Bürger:innen oder Bürger_innen? Vor allen unter dem Gesichtspunkt, dass sich niemand durch die Verwendung der Sprache diskriminiert fühlt. Der Fall der „Audianer_innen“ ist da ein aktuellen Beispiel.

Geschrieben von und © 2016 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

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