„Welches ist der Sinn unseres Lebens? Eine Antwort auf diese Frage wissen, heißt religiös sein. Du fragst: Hat es denn überhaupt einen Sinn, diese Frage zu stellen? Ich antworte: Wer sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen als sinnlos empfindet, der ist nicht nur unglücklich, sondern auch kaum lebensfähig.“ (Albert Einstein)
Vorbemerkung: Unter dem Titel „Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens“ hat einst das TV-Promi-Unternehmer-Ehepaar Roer und Carmen Geiss („Uncle Sam“) ihr Lebenskonzept als Buch vermarktet, „Von nix kommt nix“ lautet aber auch der Name eines Seminars von Vera F. Birkenbihl darüber, wie wir Wissen erwerben, erweitern und vertiefen.
Egal ob mit „x“ oder ohne geschrieben: diese Redensart ist allgemein gebräuchlich und soll nichts naderes heißen wie: harte Arbeit zahlt sich aus und dafür ist es notwendig, anzustrengen. Mir geht es aber um den weiteres Sinn und zwar darum, dass alles seine Ursache hat, sodass man sich erstens nicht zu wundern braucht, weshalb etwas passiert und zweitens (was noch wichtiger ist): man kann herausfinden „… dass sowas von sowas kommt“, wie Nena in „Neunundneunzig Luftballons“ singt. Unter direktem bezug auf ihren Erfolgssong habe ich eines meiner ZukunftsCoach-Seminare auch „Sowas kommt von sowas“ genannt.
Frank Schaeffer heißt der Mann, der die amerikanischen Abtreibungsgegner radikalisierte. Obwohl Sohn des presbyterianischen Theologen Francis Schaeffer aus der Schweiz, wandte sich Schaeffer vom bisherigen evangelikalen Glauben seiner Eltern ab und trat der orthodoxen Kirche bei und begann Filme zu drehen, unter anderem 2007 bis 2011 seine „Gott-Trilogie“. Mit Hilfe dieser mobilisierten und radikalisierten Gläubige in den USA gegen das liberale Recht auf Abtreibung, das 2022 vom Oberste Gerichtshof der USA mit einer wegweisenden Entscheidung zu Fall gebracht wurde und es sieht nicht so aus, als fürchte dieses Gericht irgendwelche Konsequenzen Der Filmemacher ist heute darüber zurecht entsetzt, denn von Huémoz-sur-Ollon, einem kleinen Alpen-Bergdorf, in dem Schaeffer aufgewachen ist, bis zum Sturm von Trump-Anhängern auf das Capitol und dem Ende des nationalen Rechts auf Abtreibung in den USA führt eine gerade Linie, die sich an seinen Filmen festmacht. Weil sowas von sowas kommt.
In der ersten Hälfte der 1970er Jahre drängte er seinen Vater zu einer Sache, die er laut seiner Autobiografie „Crazy for God“ während seines weiteren Lebens bereuen sollte. Zu Beginn des Jahres 1973 fällte der amerikanische Supreme Court das wegweisende „Roe v. Wade“-Urteil, in dem das Oberste Gericht der USA ein verfassungsmässiges Recht auf Abtreibung erkannte. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Frank Schaeffer an der Dokumentarfilmserie „How should we then live?“, in dem Abtreibung kein Thema war – es ging vielmehr um einer Art Kulturgeschichte. Treibende Kraft hnter dem Projekt war sein Vater, der die Kritik der linken Hippiegeneration an der materialistischen Bourgeoise berechtigt fand und Musiker wie Eric Clapton oder Jimmy Page faszinierte. „Die Menschen kamen in die Schweiz, um mit meinem Vater zu sprechen. Er war der Guru“, erinnert sich Schaeffer in „Crazy for God“.
Irgendwann besuchte auch eine 18-jährige Hippie-Schönheit die Schaeffers ind er Schweiz: Genie Walsh. Der 17-jährige Frank verliebte sich auf den ersten Blick, sie mochte die Beatles und Frank hatte ein Vorabexemplar von „Abbey Road“ und dann ging alles sehr schnell: Genie wurde schwänger, blieb in der Schweiz und brachte Tochter Jessica in Vevey am Genfer See zu Welt. „Darf man aufblühendes Leben töten?“, frage sich Frank Schaeffer und ein evangelikaler Christ, der Chirurg und Abtreibungsgegner war ud zugleich ein langjähriger Familienfreund der Schaeffers, brachte ihn „auf Linie“.
Francis Schaeffer gab dem Drängen seines Sohnes nach, ließ das Skript von Folge 9 der zehnteiligen Dokumentarfilmserie umschreiben und am Ende dieser Episode wird das Urteil des Supreme Court von 1973 zum Abtreibungsrecht als Beispiel für eine „willkürliche Gesetzgebung“ genannt, die „ohne christliches und damit auch moralisches Fundament“ gefasst worden sei. Und für die gläubigen ZuschaueInnen war das Recht auf Abtreibung fortan das Paradebeispiel für den Zerfall christlicher Werte in den USA.

Rund ein Viertel der amerikanischen Bevölkerung ist evangelikalen Glaubens, doch sie betrachteten die Abtreibungsfrage anfangs als eine rein katholische Angelegenheit. Ihr Hauptaugenmerk lag auf der Aufhebung der Rassentrennung. Als Reaktion auf die Vorgaben aus Washington nahmen religiöse Weiße in den Südstaaten ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen und gründeten private Akademien als religiöse NGOs. Diese waren dann bis 1971 steuerbefreit. Nachdem aber ein Washingtoner Gericht geurteilt hatte, dass eine Privatschule, die Rassendiskriminierung praktiziere, das Anrecht auf eine Steuerbefreiung verwirke, waren die Evangelikalen hiergegen aktiv geworden.
Da aber auch das Abtreibungsrecht den Menschen von Wahington aus sozusagen „übergestülpt“ worden war, unterstützten sie ab Ende der 1970er Jahre die Forderungen der Abtreibungsgegner. Da hatten sich Frank Schaeffers Filme bereits verselbständigt und die Abtreibungsgegner wollten ihn nach dem Tod seines Vaters 1984 gerne als Redner und Aktivist in ihre Kreisen holen, doch Schaeffer, der damals schon in den USA lebte, lehnte ab. Für ihn war das, was er zwischen San Francisco und New York sah, verlogen, „,,, das war ein falsches Christentum.“ Seine Eltern hatten in der Schweiz stets bescheiden gelebt, nie ein Auto besessen und auf dem Essstisch gab es selten Fleisch. Die US-Prediger dagegen verdienten viel Geld mit dem Glauben ihrer Anhängerschaft, agitierten mit frauen- und schwulenfeindlichen Ansichten und der „Abtreibung ist Mord“-Floskel.
Wie gross dabei der Einfluss seiner Filme war, ist für Schaeffer nach eigener Aussage kaum messbar, aber er st davon überzeugt, dass sie die amerikanische Politik mehr verändert haben als vieles andere. Fakt ist, dass die evangelikalen Christen praktisch geschlossen die Republikaner wählen, weil diese das Recht auf Abtreibung bekämpften. Ohne ihre Unterstützung wären Reagen und Bush sen. keine Präsidenten geworden, hätte der Krieg im Irak nicht stattgefunden, Donald Trump 2016 gegen Hillary Clinton verloren und den Supreme Court nicht mit konservativen Richtern besetzt werden können. Frank Schaeffer geht inzwischen sogar davon aus, dass es ohne Episode 9 von „How should we then live?“ keinen Sturm auf das Capitol hätte geben können.
Und Schaeffer befürwortet heute gar ein Recht auf Abtreibung, zwar nicht so breit auslegen wie es der Supreme Court 1973 tat, aber beispielsweise bei Vergewaltigungen und nur in einer frühen Phase der Schwangerschaft. „Amerikanerinnen wollen ein Recht auf Abtreibung, aber sie sind entsetzt über die Möglichkeit später Schwangerschaftsabbrüche“, sagt Frank Schaeffer. „Die Frage muss lauten: Wem vertraue ich?“, so der Filmemacher. Kein Richter, kein Politiker und kein Priester könne die Abtreibungsfrage so gut entscheiden wie die betroffene Frau. Es müssten jene Person diese Wahl treffen, welche die schwersten Konsequenzen daraus zu tragen hätten, resümiert er, weshalb man die Entscheidung Frauen überlassen sollte.
Geschrieben von und © 2022 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining