NEBENBEI BEMERKT | Die Geschichte des Universums in nur 365 Tagen dargestellt (2/2)

1983 gab es im Zweiten Deutschen Fernsehen die US-TV-Serie „Cosmos“ (deutscher Titel: „Unser Kosmos“) von und mit Carl Sagan, einem damals schon sehr berühmten Astronomen. Als Mensch, der seit seiner späten Kindheit an Astronomie und Weltraumfahrt interessiert war und seit 1982 im Besitz eines VHS-Videorekorders, schaute ich mit Begeisterung alle Folgen an und zeichnete sie auf. Sagan entwarf darin u.a. den Begriff des „Kosmischen Kalenders“ (KK), einer Skala, in der die 13,7 Milliarden Jahre Existenz unseres Universums auf ein einziges Jahr übertragen wurde. In seinem KK fand der Urknall am 1. Januar um 00:00 Uhr statt, während wir uns mit unserer heutigen Erde in diesem Kalender am 31. Dezember wiederfinden.

Lesen Sie HIER Teil 1 des Artikels!

Am 14. September schließlich (= vor 4,1 Milliarden Jahren) gab es die ersten biotischen Lebensformen auf der Erde; ihre Überreste wurden in alten Gesteinen gefunden. Am prominentesten bezeugen einzellige primitive Bakterien die Geburt des Lebens auf der Urerde. Und doch sollte es im Kosmischen Kalender noch einmal zwei Wochen bis zum 30. September (= vor 3,8 Milliarden Jahren) dauern, bis die irdische Photosynthese entstand. Dies kann man ohne Zweifel als den wichtigsten Durchbruch für das Leben auf unserem Heimatplaneten ansehen, da es die direkte Nutzung des Sonnenlichts zur Produktion von Sauerstoff bedeutete: eine Grundvoraussetzung für das Leben und Überleben kohlenstoffbasierter Lebensformen. Alle vorherigen Lebensformen nutzten allein die Ressourcen der Erde, aber ohne Photosynthese konnte die Atmosphäre der Erde nicht mit Sauerstoff gefüllt werden.

Und wieder verstrich eine lange Zeit bis kurz vor Nikolaus: Am 5. Dezember des KK (dies war vor 0,8 Milliarden oder 800 Mio. Jahren) entstand mehrzelliges Leben. Der evolutionäre Sprung von primitiven Bakterien zu vielzelligen Organismen dauerte im Kosmischen Kalender rund knapp Monate, war jedoch essentiell für alles weitere Leben auf der Erde, wie wir es kennen. Und das zu relativieren: Dieses Intervall dauerte sogar länger als die Zeit, die die Entstehung der ersten Galaxien nach dem Urknall dauerte – eine verdammt lange Zeit also. Doch Lebenwesen gab es weiterhin nur in den Meeren, auf der steinernen Erde noch nicht, denn erst am 20. Dezember des Kosmischen Kalenders (= kurz vor Heiligabend nach dem irdischen und damit vor etwa 450 Mio. Jahren) entstanden Landpflanzen und die Erde begann üppig und grün zu werden, was Grundvoraussetzung dafür war, dass anschließend das Leben seine ersten Schritte an Land machte und Amphibien und Reptilien unseren Planeten zu bevölkern begannen.

Am 25. Dezember (oder vor rund 230 Mio. Jahren) übernahmen schließlich eierlegende Landwirbeltiere die Dominanz über unsere Heimatwelt. Nur 5 Tage waren im Kosmischen Kalender verstrichen, seitdem das Leben aus dem Meer gestiegen war, und schon durchstreiften unzählige Arten von Dinosauriern die Erde. Der 30. Dezember wiederum war für alle Dinosaurier ein trauriger „Tag“: Vor 65 Mio. Jahren starben mit einem Mal alle Dinosaurierarten aus, als ein Meteorit im heutigen Golf von Mexiko, die Erde traf und die auf ihr beherrschende Lebensart dezimierte. Dieser einschneidende Moment der Erdhistorie ebnete jedoch den Weg für Säugetiere, um die Welt zu erobern.

Doch was geschah am 31. Dezember des Kosmischen Kalenders?

Am 31. Dezember um 0:00 Uhr (oder vor 40 Mio. Jahren) war die sog. „Morgendämmerung der Primaten“. Was immer wir als Homo Sapiens über die Geschichte der Menschheit auf der Erde gehört haben, das alles begann an diesem 31. Dezember des Kosmischen Kalenders und zeigt eindringlich die Bedeutungslosigkeit unserer heutigen Existenz, die wir auf der Erde verbringen, im Kontext des Universums.

Wenn man bedenkt, dass beispielsweise die Dinosaurier ganze 5 KK-Tage lang auf unserem Heimatplaneten umherstreiften, so lebten unsere Vorfahren am frühen Morgen des letzten Kosmischen Kalendertages immer noch in den Bäumen. Alles Folgende am letzten Tag des KK-Jahres sei aus Gründen der Genauigkeit jetzt nur noch als Uhrzeit angezeigt.

14:24 Uhr (oder vor rund 20 Mio. Jahren): Primitive Humanoide durchstreifen die Erde. Sie ernähren sich überwiegend von Pflanzen. Berechnet wurde dies als Zeitpunkt der Aufspaltung der Altweltaffen in die Menschenartigen Verwandten und die Meerkatzenverwandten.

22:24 Uhr: Frühmenschen lebten als kleine Gemeinschaften, benutzten Steinwerkzeuge, betrieben Jagd und hatten gelernt, das Feuer zu beherrschen.

23:59 Uhr und 47 Sekunden (= 3.200 v. Chr.): Ötzi (= die „Gletschermumie aus der späten Kupfersteinzeit“) stirbt und wird in den Ötztaler Alpen (Südtirol) von einem Gletscher begraben und rund 5.200 Jahre lang konserviert.

23:59 Uhr und 48 Sekunden (= 2.600 v. Chr.): In Ägypten werden kurz vor Beginn der Bronzezeit erste Pyramiden errichtet. Kurz danach erlebte die Metropole Babylon im Zweistromland ihre erste Blütezeit.

23:59 Uhr und 53 Sekunden: In der Zeit des antiken Griechenlands entfaltete sich die griechische Kultur in einer Weise, die für weite Teile des vorderen Orients und ganz Europa bis heute prägenden Einfluss hatte.

23:59 Uhr und 54 Sekunden: Das Römische Reich gründet sich und Buddha wird geboren.

23:59 Uhr und 55 Sekunden: Die Geburt von Jesus Christus markiert nur eine Sekunde später den Beginn des römischen Kalenders (0 n. Chr.) und damit einer neuen Zeitrechnung.

23:59 Uhr und 58 Sekunden: Christoph Kolumbus entdeckt vermeintlich den Seeweg nach Indien und in Wirklichkeit einen Kontinent, der bereits eine Sekunde vor ihm kurzzeitig und partiell von Wikingern besiedelt worden war. Kurz vor Ablauf der 58 Sekunde der vorletzten Minute des Kosmischen Kalenders revolutioniert Johannes Gutenberg mit der Druckkunst die Welt der Information.

23:59 Uhr und 59 Sekunden: Dies ist die Zeit, in der wir aktuell leben inklusive der französischen der industriellen und der landwirtschaftlichen Revolution, zweier Weltkriege, des ersten Menschen im Weltall, des Rock ’n‘ Roll und der Beatles (resp. der Rolling Stones), der ersten Mondlandung, Carl Sagan, Vera F. Birkenbihl und Daniel Küblböck [Anm.: … alle drei inzwischen verstorben!] und allem weiteren, über das uns die TV-Nachrichten reglmäßig unterrichten – egal ob wir das wollen oder nicht.

Geschrieben von und © 2016 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

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