DEMOGRAFISCHER WANDEL IM FACHKRÄFTEMANGEL | Wie man die Quadratur des Kreises schafft (2/2)

Lesen Sie HIER Teil 1 des Artikels.

Der demografische Wandel sorgt in Verbindung mit dem technologischen Wandel nicht nur für eine Änderung der Arbeitstätigkeit in öffentlichen Verwaltungen, die sich dort in Richtung von Automatisierung, digitalem Know-how und der Verwendung von künstliche Intelligenz bewegt – er beeinflusst die ganze Gesellschaft. Während die Generation der BabyBoomer überwiegend schon den wohlverdienten Ruhestand lebt, arbeiten im öffentlichen Dienst die Generationen X, Y und Z zusammen und versuchen miteinander auszukommen. Was gar nicht so einfach ist, wie das nachfolgende Beispiel zeigt:

Herr GenX ist Leiter der Verkehrsplanung der Stadt A (der aktuell „Fachdienst Mobilität“ heißt). Er sucht eine NachfolgerIn für Frau F, die mit 63 Jahren in den Ruhestand gegangen ist. Eine nahtlose Nachbesetzung des Arbeitsplatzes war nicht möglich, die Stelle wurde erst ein halbes Jahr nach dem Abschied von Frau F ausgeschrieben. Auf die Vollzeitstelle nach TVÖD E9 bewarben sich sieben Interessenten – Herr GenX war fassungslos, hatten sich doch noch vor fünf Jahren bei der letzten Stellenausschreibung in seinem Bereich achtzig BewerberInnen gemeldet. Er wählte vier der sieben Bewerber für ein Vorstellungsgespräch aus, von denen letztlich nur drei erschienen.

Man entschied sich schließlich für Herrn Z, 22 Jahre jung aus den Nachbarstadt B mit einem Bachelor-Abschluss in Marketing, zugleich einer der jahrgangsbesten Verwaltungsfachangestellten des Bundeslandes. Seinen Wunsch, Teilzeit zu arbeiten, konnte man nicht nachkommen. Weshalb ein 22-Jähriger nur 30 Stunden arbeiten möchte, wollte Herr X wissen. Z erklärte, er brauche mehr Zeit, um sich seinen Projekten zu widmen: Foodsharing und artgerechte Tierhaltung. Dennoch einigte man sich, die Arbeitszeit sobald als möglich zu verkürzen. Nach rund 20 Monaten nahm Herr Z ein Angebot in der gleichen Verwaltung an, wechselte zur Feuerwehr und betreut dort nun 30 Stunden in der Woche u.a. die Auszubildenden. Zs Kollegin, Frau Y, ist „angefressen“, denn nun bleibt die Mehrarbeit im FD Mobilität ein weiteres Mal an ihr hängen. Sie schaut sich bereits in der Region um und will den Arbeitsplatz wechseln.

Geschichten wie diese sind keine Einzelfälle für Konflikte zwischen den Generationen X, Y und Z innerhalb von Verwaltungsstrukturen. Wertesysteme verändern sich, was bedeutet, dass die Unterschiede zwischen den Generationen mitunter erheblich sind. Für Herrn X stellt ein Job im ÖD einen Hauptgewinn dar, den man in der Regel bis zur Rente wertzuschätzen weiß. Frau Y dagegen hinterfragt, wie gerecht die Arbeitsverteilung im Fachdienst ist und wie sie es schafft, am Ende nicht auf der Strecke zu bleiben. Es gibt hierzu sogar eine FORSA-Umfrage von 2019, wonach jeder dritte Angestellte bereits mit dem Gedanken gespielt habe, wegen seines Vorgesetzten die Arbeitsstelle zu verlassen – nicht aber den Job. Herr Z wird von Werten geleitet, bei denen der Verwaltungsberuf oder die Karriere kaum eine Rolle spielen. Als Fazit kann man festhalten: In den 2020er-Jahren passen Eigenschaften wie die Arbeitsplatz-Sicherheit des ÖD, bei vielen Mitarbeitenden nicht mehr zu deren aktuellen Lebenskonzepten.

Reklame des Motatos-Lieferdienstes für nachhaltigen Konsum. – Bildquelle: CBQ Verwaltungstraining

Wie weit kommt man aktuell überhaupt mit dem sog. „Vorrecht des Alters“, die Jugend kritisch zu betrachten und sichert dies die notwendige Besetzung von Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen ab? – Im Institut für Verwaltungsinnovation in Jena gibt es eine Gruppe aus Verwaltungspraktikern und -wissenschaftlern, Psychologen und Soziologen, Coaches und Verwaltungstrainern, die dort gemeinsam wirken, denken, lehren und sich regelmäßig in einem Wissensforum austauschen. Feedback kommt aus dem Verwaltungsnetzwerk Deutschland mit mehr als 180 Partnern und permanenten Rückmeldungen zur Verwaltungspraxis. Allen gemeinsam ist das Anliegen, öffentliche Verwaltungen zu transformieren und für die Zukunft innovativ und attraktiv aufzustellen.

Dabei ist die Betrachtung der Sozialisation von Menschen wichtig: das Einordnen und Anpassen von Individuen an die Gesellschaft, in der sie aufwachsen. Wir verinnerlichen Mitarbeitende unterschiedlicher Generationen Werte und Normen, wie sehr verinnerlichen sie die Arbeit „ihrer“ Verwaltung in einem Umfeld sich verändernder gesellschaftlicher, politischer, ökonomischer und ökologischer Rahmenbedingungen. Als Erbgenis kann man feststellen, dass das Thema „Demografischer Wandel in Zeiten des Fachkräftemangels“ eines der aktuell wichtigsten Themen ist, mit dem sich der ÖD auseinanderzusetzen hat.

Die Lösungsmöglichkeiten die sich bieten, sozusagen der Versuch einer Quadratur des Kreises, werden wird ein wichtiger Punkt in meinem Online-Impulsvortrag unter dem Titel „Next Level VRWLTNG: Herausforderungen und Ziele“ sein, den ich am 22. Februar 2022 im Institut für Verwaltungsinnovation halten werde. Denn zur nächsten Ebene einer sich rasant wandelnden Verwaltungswelt gehört auch die Transformation der Mitarbeitermotivation und die Schaffung optimaler Berufsbedingungen für die Generation Z, denn ihre VertreterInnen sind die „nachwachsenden Rohstoffe“ der öffentlichen Verwaltungen (worauf ich bereits in einem anderen Artikel eingegangen war): ihre kommenden Führungskräfte.

Natürlich stellen alle soziologischen Theorien lediglich Annahmen dar, wie der US-amerikanische Professor Douglas McGregor bereits 1960 in seinem Buch „Die menschliche Seite von Unternehmen“ feststellte, als er darüber berichtete, dass jede Menschenführungsentscheidung auf einer Reihe von Vermutungen über die menschliche Natur und menschliches Verhalten beruhe. Gleichwohl brachten seine Gegenüberstellungen von jeweils zwei gegensätzliche Annahmen („Theory X vs. Theory Y“) Bewegung in Führungsdiskussion und haben bis heute große Bedeutung, denn die Intention hinter McGregors Gedanken ist leicht verständlich: abhängig davon, mit welcher Haltung an die Mitarbeitenden herangegangen wird, konstruiert man oder Frau sich die eigene Führungssituationen selbst (bsplw. „Sind alle Beschäftigten gleich talentiert / fachlich sicher / motiviert oder nicht? /// Wollen Menschen geführt werden oder suchen sie eigene Verantwortung? /// Sind Einfallsreichtum und Kreativität ein Fluch oder ein Segen?“)

McGregor war einer der ersten Wissenschaftler, der darlegte, dass die Nichterfüllung von Individualbedürfnissen von Beschäftigten (wie etwa Bestätigung, Selbstvertrauen, respektvoller Umgang) zur Folge hat, dass Mitarbeitende sich krank fühlen oder tatsächlich erkranken und bei ihrer Tätigkeit ein schlechtes Gefühl haben oder sogar eine feindliche Einstellung entwickeln. Heute sehen engagierte Verwaltungen eine ihrer Aufgaben deshalb darin, am Arbeitsplatz möglichst viel Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden zu befriedigen, beispielsweise durch Transparenz, wertschätzende Aufmerksamkeit auf Augenhöhe, ein betriebliches Gesundheitsmanagement, die Übernahme von Kindergartengebühren oder eigene Kitas. Die Rückmeldungen zeigen deutlich, wie wichtig dieser Aspekt der MitarbeiterInnenführung geworden ist und von MItarbeitenden wahrgenommen wird, denn die erwähnte FORSA-Umfrage zeigt ebenfalls, dass sich jeder zweite Mitarbeitende mehr Feedback und Lob wünscht.

Abschließend noch einige Gedanken zu den „nachwachsenden Rohstoffen“ der öffentlichen Verwaltungen: der Generation Z. Ende des letzten Jahres berichtete die Göttinger Professorin Antje-Britta Mörstedt, sie ist eine der führenden deutschen Expertinnen rund um das Thema GenZ, in einem Vortrag für die Stadt Jena, dass SocialMedia und der Griff zum Smartphone für GenZ genauso so normal ist, wie für andere die Tasse Kaffee am Morgen. Da macht es keinen Sinn, sich zu fragen (… oder sich Entsprechendes zu verbitten …), weshalb die Verwaltungsauszubildende Lydia auf Instagram drei Mal postet, dass sie in der Damentoilette war: es gehört einfach zur Verbundenheit dieser Generation dazu. Auch dass Influencer Ricardo Simonetti keinerlei Scham davor hat, der Welt mitzuteilen, dass er sich im Auto in die Hose gemacht hat. Die Generation der BabyBoomer ist entsetzt, die Generationen X und Y schütteln den Kopf, aber GenZler sagen „Cool, dass er das gepostet hat“, schicken ein Daumen-hoch und ein Smiley mit herausgestreckter Zunge und zwinkerndem Auge hinterher und denken sich allenfalls, „Ich muss aufpassen, dass mir sowas nicht auch passiert.“

Das legt Verwaltungen nahe, ein ganzes Motivationspaket an Anreizdimensionen zu bieten, wenn man Mitglieder der Generation Z für sich gewinnen möchte. Hierzu gehören: die eigentliche Arbeit, Qualifizierungsmaßnahmen, Sicherheit und Zugeständnisse, Verwaltungskultur und Formen des nachhaltigen Handelns. Sie sollten den InteressenInnen für Verwaltungsjobs die Möglichkeit bieten, abwägen zu können, welcher Mix ihnen wichtig ist. Innovation und Agilität der Arbeit, harmonische Arbeitsbedingungen, Fortbildungs- bzw. Studienmöglichkeiten, Freiräume, beruflichen Wirken in Übereinstimmung mit privaten Zielen und Prinzipien und so weiter? Grob unterteilt sind gibt es vier wesentliche Ebenen: Motivation, Bedürfnisse, Selbstbestimmung, betriebliche Anreize. Natürlich spielen bei jedem Menschen andere Begeisterungsfaktoren eine Rolle, wer aber als Verwaltung mit einem Gesamtpaket diese vier Ebenen bedienen kann, dem wird es zukünftig kaum schwerfallen, Stellen mit GenZ zu besetzen.

Geschrieben von und © 2022 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

Hinweis: Teile dieses Artikels sind Bestandteil des Online-Impulsvortrags „NEXT LEVEL VERWALTUNG – Herausforderungen und Ziele“, den Rainer W. Sauer am 22.02.2022 im CBQ Institut für Verwaltungsinnovation halten wird.

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