Hinweis: Teile dieses Artikels sind Bestandteil des Online-Impulsvortrags „NEXT LEVEL VERWALTUNG – Herausforderungen und Ziele“, den Rainer W. Sauer am 22.02.2022 im CBQ Institut für Verwaltungsinnovation halten wird.
Das Statistische Bundesamt (StBA) prognostiziert Deutschland einen Bevölkerungshöchststand für das Jahr 2025 und dieser soll sich anschließend etwa anderthalb Jahrzehnte lang nicht wesentlich verändern. Im gleichen Zeitraum werde, so das StBA in seiner Prognose, die berufstätige Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 67 Jahren um etwa 10 Prozent sinken – das sind zwischen vier bis sechs Millionen Erwerbstätige. Heißt für unsere Gesellschaft inklusive der öffentlichen Verwaltungen, dass auf dem Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren wesentlich weniger Personal zur Verfügung stehen wird als bislang.
Schon jetzt können Arbeitgeber bei Bund, Ländern und Kommunen viele angebotene Arbeits- und Ausbildungsplätze nur noch schwerlich besetzen. Zeitgleich sehnen Hunderttausende ältere Beschäftigte ihr Dienstende herbei und zum prognostizierten Fachkräfteengpass kommt der Verlust an Expertenwissen, wenn die RentnerInnen und Pensionäre ihre fachlichen Kenntnisse mit in den Ruhestand nehmen. Sollten Verwaltungen hier nicht konsequent handeln, sollte ihnen der Wissenstransfer nicht gelingen, werden die Folgen auf längere Sicht gravierend sein. Demotivation der verbliebenen Beschäftigten inklusive einem Zuwachs an Krankheitstagen hat negative Auswirkungen auf die Aufgabenbewältigung und letztlich die Innovationskraft von Behörden und Dienststellen. Dies in Zeiten, in denen sich alle Verwaltungen aufgrund von Gesellschaftsveränderungen, den Auswirkungen der Globalisierung und sinkenden Steuereinnahmen noch stärker als bisher verändern müssen.
Momentan häufen sich bei mir Klagen aus öffentlichen Verwaltungen: Wir finden einfach keine geeigneten MitarbeiterInnen mehr, heißt es. Berichtet wird von einer exorbitant geringen Zahl an BewerberInnen, von E-Mail-Bewerbungsschreiben voller Rechtschreibprobleme, von Anschreiben mit fehlerhaften Angaben. Fast noch schlimmer: Und wenn man einem jungen Menschen bei dessen EInstellung Zugeständnisse macht (… „Ich darf niemandem erzählen, was ich ihm / ihr versprechen musste.“ …), gibt es trotzdem ein ums andere Mal kurzfristige Absagen. Viele Personalmitarbeitende können das weder verstehen noch nachvollziehen. Dabei ist die Sache im Grunde ganz einfach:
Die Form der Wissensaufnahme und wie Sachverhalte kommuniziert werden prägt das Denken und Handeln eines Menschen, seine Kreativität und die Art und Weise, wie er an Problemlösungen herangeht – Generationenübergreifend. Obwohl Generationen nicht strikt in Geburtenjahrgänge einzuordnen sind – es gibt in der Tat eine beachtliche Streuung innerhalb jeder Generation – kommt es gleichwohl zu klaren Unterschieden zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Generationen, der sog. Intergenerationsdifferenz. Ergebnis der wissenschaftlichen Forschung ist außerdem, dass Jede Generation ihre besondere Charakteristik. Ging es im 19. Jahrhundert häufig ums blanke Überleben, so waren bei den späteren Generationen jeweils andere Grundsätze feststellbar. Der Soziologe Carl Mannheim beschrieb dies im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts dezidiert, womit u.a. durch seine Arbeit die Grundlagen der Generationenforschung geschaffen wurden. Doch dauerte es bis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg, dass Soziologen Mannheims Thesen neu für sich entdeckten, als sie das Trauma der sog. Nachkriegsgeneration erforschten.

Sie stellten fest: Die Jugendlichen der Nachkriegsgeneration (= die 1930 bis 1945 Geborenen) waren ausnahmslos vom Ende des Zweiten Weltkrieg geprägt, durch das knappe Essen, Mütter die das Überleben organisieren mussten, Väter, die von der Front oder aus der Gefangenschaft zurückkehrten und für die, über das Erlebte zu sprechen, tabu war. Kurzum: der Blick ging immer nur nach vorne. Es war eine Generation, die vom Brot den Schimmel wegschnitt, weil man Essen nicht wegwerfen durfte, eine generation, die emotionalen Blockaden hatte und geringes Selbstwertgefühl, Unsicherheit und die Angst, beruflich wie menschlich zu versagen.
Solche Ansichten und Prinzipien erlebten auch ihre Kinder, die Generation der Babyboomer (= die 1946 bis 1965 Geborenen). Die steigende Geburtenrate nach den Zukunftsängsten der ersten Nachkriegsjahre, brachte – natürlich begünstigt durch das deutsche Wirtschaftswunder – eine Generation der Vielen hervor, die alle immer das Gleiche wollten: Wohlstand nach dem Motto „Wer fleißig ist, kann viel erreichen.“ Doch das erzeugte auch Begehrlichkeiten: mehr Mitsprache, Gegenpositionen zu den Eltern beziehen, Gleichberechtigung einforden sowie kulturelle und sexuelle Befreiung. Es ist kein Wunder, dass aus der Generation der Babyboomer nicht nur die 68er-Bewegung erwuchs sondern auch eine Armada von Schallplattensammlern.
Die Kinder der Babyboomer, Generation X genannt (= die 1965 bis 1980 Geborenen), schüttelten oft die Köpfe über ihre großeltern, hatten sie doch überhaupt kein Problem mehr damit, verschimmeltes Brot wegzuwerfen. Durch die Liberalität ihrer Eltern meist sorgenfrei aufgewachsen (beispielsweis in antiautoritäre Erziehung, Kinderläden, Waldorfschulen) waren für diese Generation der Kalte Krieg mit seiner atomaren Aufrüstung und der Super-GAU in Atomreaktor von Tschernobyl prägend. Und sie interessierten sich nicht mehr fürs Schiffschaukeln auf dem Jahrmarkt sondern eher für die geilsten Phantasialand-Achterbahnen. Im Hier und Jetzt beeinflussen ihre Vorstellungen die Arbeitswelt, denn ein Großteil der Führungspositionen in Wirtschaft und Verwaltung werden aktuell durch VertreterInnen der Generation X wahrgenommen. Eher individualistisch verankert legen sie verstärkten Wert auf einen hohen Lebensstandard, aber auch genügend Freizeit neben dem Beruf und reisen viel.
Man hatte noch ein geteiltes Deutschland erlebt und durfte quasi live mitverfolgen, welche Möglichkeiten sich nach der Wende ergaben oder welche Ideale zerbrachen. Generation X-ler waren stolz gewesen, einen Walkman oder Gameboy zu besitzen, haben eine große CD-Sammlung und Schulleistungen waren ihnen sehr wichtig – stolz verkündenten viele: Abitur geschafft! Bei Job-Bewerbungen legte man Wert auf eine ordentliche Mappe plus eines Bildes vom Fotografen; im Bewerbungstext waren das exakte Einrücken der Absätze und eine normgerechte Groß- und Keinschreibung wichtig – alles sauber ausgedruckt. Beim Vorstellungsgespräch war das frühe Erscheinen und ein ordentliches Auftreten in Anzug oder Kostüm wichtig. Und klappte das mit der Stelle nicht, gab man sich selbst die Schuld.

Ihnen nach folgte die Generation Y (= die 1981 bis 1994 Geborenen). Sie wuchs im finanziellen Überfluss auf,wurde mit dem Internet groß, besaß früh ein eigenes Handy und kommunizierte munter drauf los: Und so unterscheidet ihre elektronische Mobilität die Generation Y erheblich von allen vorherigen. Doch nicht ohne Bedeutung steht das „Y“ sinnbildlich für das englisch Wort „why“ (= „warum“). Heißt: Angehörige der Generation Y hinterfragen viele Dinge, suchen nach einem tieferen Sinn ihres Lebens und der Arbeit. Ihre Wertausrichtung ist leistungs-karriereorientiert, von Arbeitgebern wird eine hohe Flexibilität und Nachhaltigkeit eingefordert und das Recht zum mobilen Arbeiten im Homeoffice, möglichst mit Hardware von Apple. Doch das Hinterfragen fordert auch seinen Tribut: nicht wenige Vertreter der Generation Y konnten sich lange nicht entscheiden, in welcher Branche sie arbeiten wollten und stiegen auch wesentlich später, als es bei den Vorgängergenerationen der Fall war, in den Beruf ein.
Mit der sog. Generation Z werden die jungen Erwachsenen bezeichnet, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Viele von hnen befinden sich aktuell in einem Lebensabschnitt, in dem sie in die Arbeitswelt eintreten oder eine bewusste Entscheidung für ihren zukünftigen Berufsweg treffen. Mit in den letzten Jahrzehnten erfolgreichen Methoden kann man diese jungen Menschen nicht für sich gewinnen, denn es sind andere Werte als früher, die ein Unternehmen ebenso wie die öffentlichen Verwaltungen attraktiv für sie machen.
Die Generation Z ist mit allen digitalen Errungenschaften der letzten zwanzig Jahre aufgewachsen: Smartphones, Tablets, SocialMedia sind ihre Welt und sie gehen wie selbstverständlich damit um. Schallplatten haben höchstens einen nostalgischen Wert, CDs sind absolut out, kann man doch jegliche Musikstücke streamen. Und auch vorm TV wird gestreamt, was das Zeug hält, wobei ihnen ARD, ZDF, Sat.1/Pro7 oder RTL zunehmend unwichtiger werden. Da die GenZ grundlegend anders „tickt“, als ihre Vorgängergenerationen, ist hier nur gekonntes Marketing in der Lage, aus ihren Reihen motivierte Fachkräfte zu gewinnen. Wobei dies wörtlich zu verstehen ist, denn es ist ein Gewinn für die öffentliche Verwaltung, mit den Fähigkeiten der GenZ ihre Zukunft zu gestalten.
Gekonntes Marketing ist umso wichtiger in einer verdrehten Arbeitswelt, in welcher der Fachkräftemangel dazu führt, dass nicht länger die Verwaltungen sich ihre jungen Beschäftigten aussuchen können, sondern die jungen Arbeitnehmer der Generation Z suchen sich die zu ihnen und ihrem Verständnis der Welt passenden Arbeitgeber. Für sie ist wichtig: Arbeit muss Spaß machen, Kollegen müssen nett sein, die Arbeitgeber müssen ihnen einen angemessenen Freiraum lassen – idealerweise ohne Überstunden.
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Geschrieben von und © 2022 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining