AGILE V-TEAMS UND DER KONZERN STADT (II) | Ein Mehr an Leistung und Qualität trotz sinkender Beschäftigtenzahlen

Lesen Sie HIER Teil 1 des Artikels.

Einmal davon abgesehen, dass BürgerInnen nicht für die Verwaltung da sind sondern umgekehrt, haben sich die Befürchtungen klar überwiegend als unbegründet erwiesen. Ganz im Gegenteil: Die Bürgerinnen und Bürger waren grundsätzlich dann umgänglicher, wenn man ihnen aufzeigen konnte, dass man ihre Interessen und Wünsche ernst nimmt. Schon die Präsenz der Verwaltung vor Ort war für viele Menschen der richtige Fingerzeig. Die mög­lichst frühzeitige Bürgerinformation wurde dankend angenommen und er­möglichte es, dass Bürgerwünsche und -anregungen in die Planung von Vor­haben aufgenommen und z.B. Workshops durchgeführt werden konnten – lange bevor ein Planungsprozess „verkrustete“ und Ablehnung fand. Außerdem stellte es sich für die Teammitglieder als durchweg positiv dar, dass man bei diesen Vor-Ort-Veranstaltungen auch von Bürgerseite aus informiert bzw. auf das eine oder das andere hingewiesen wurde, das man selbst zuvor anders betrachtet hatte.

Die Idee von einem Umbau der Verwaltungen hin zu Dienstleistungszentren hat vor rund 30 Jahren die Kommunale Gemein­schaftstelle für Verwaltungsver­einfachung (KGSt) in Köln entwickelt und in verschiedenen Modellversuchen initiiert. Die Idee des „KONZERN STADT“ aber wurde in Deutschland erstmals von der Stadt Her­ten in Nordrhein-Westfalen ins Gespräch gebracht. Anfang 1993 fiel dort der Startschuß für eine Neuorganisation der Stadtverwal­tung. Bis zum Jahr 2000 sollte dort die Verwaltung mit dem Ziel umgebaut werden, sich den Bürgern künftig nicht mehr als Obrigkeitsverwaltung son­dern als Dienstlei­stungskonzern darzustellen. Auslöser hierfür waren (…wer hätte das gedacht…) finanzielle Schwierigkeiten durch hohe Ausgaben und sinkene Steuereinnahmen und die Unzufriedenheit der Bürger mit dem bisherigen Service der Herner Stadtverwaltung. Die ab 1993 gewählte Organisationsform wich von den klassischen Dezernats- und Ämterstrukturen ab und sah die Verwal­tungsspitze sozusagen als „Verwaltungsvorstand“ vor mit Beigeordneten als „Vorstandsmitgliedern“ vor.

Am Ende blieben fünf Fachbereiche von der ehemaligen Ver­wal­tungsstruktur übrig mit einem zusätzlichen Steuerungsbereich. Die­sem Steuerbereich un­terstanden / unterstehen alle Dienstleistungssegmente der fünf Fachbe­reiche, wobei jeder Dienstleistungsbereich mit fortschreitender Dauer als relativ selbständige Ver­wal­tungseinheit ar­beiten sollte. Noch während in Herten daüber nachgedacht wurde, was später die einzel­nen „Produkte“ des Konzerns Stadt ergeben sollten, standen bereits einzelne Farben der Pa­lette fest. So wurde im Bereich „Schule“ all das zusammengefasst, was mit dem Schulwesen zu tun hatte inklusive der Grundstücks- und Gebäudewirt­schaft und -verwaltung. Verhielten sich Schüler einer Schule so, dass Ressourcen ge- oder beschädigt wurden, dann erhielt diese Schule im Nachgang auch weniger Geld­mittel für Klassenfahrten und ähnliches. Ob dies den sozialen Aufgaben und Kompetenzen bestimmter Schulen gerecht werden konnte, mag dahingestellt bleiben. Die Stadt Herten war jedenfalls einer der Vorreiter für den Weg hin zur Budgetierung und weg vom kammeralistischen Systen. Es zahlte sich aus, den einzelnen „Farben der Palette“ Eigenverantwortung zu übertragen – dies auch, weil die Verwaltungsspitze nicht subjektiv vorging sondern bezüglich des Verwaltungsumbaus einen objektiven Organi­sationsberater aus der Wirtschaft hinzuzog.

Das Beispiel und die Initiative der KGSt haben inzwischen Schule gemacht und viele öffentliche Verwaltungen sind inzwischen im 21. Jahrhundert angekommen, in dem es darum geht, den BürgerInnen ein Mehr an Leistung und Qualität zu bieten und zwar trotz langfristig sinkender Beschäftigtenzahlen. Es fehlte anfangs allerdings noch am vollen Verständnis der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Deshalb versuchte man die Beschäftigten in sog. Lenkungsgruppen von der Notwendigkeit und den Vorteilen der Umstrukturierung zu überzeugen. Solche Lenkungsgruppen steuerten auch den eigentlichen Organisationsprozess.

Dies gab und gibt den Mitarbeitenden Verantwortung in die Hand, die sie sonst nicht hätten und hilft dabei Vertrauen dahingehend aufzubauen, dass „man“ in „seiner“ Verwaltung wirklich etwas verändern kann. Mit dem Fortschreiten des Prozesses wurden auch mehr Entscheidungsbefugnisse an die Beschäftigten delegiert. Dies entla­stete einerseits die sonst hier zuständigen Führungskräfte und führte zu einem gestiegen Wertschätzungsgefühl des Mitarbeiters / der Mitarbeiterin.

Mit der Neuorganisation zum „Konzern Stadt“ verband man in Herten die Hoffnung, dass sich Mitarbeiter wie Verantwortungsträger in der neuen Verwaltung gleichermaßen wohler fühlen können und damit so­wohl die Bürgerfreundlichkeit als auch die Effektivität der Verwaltung steigt. Das hat sich inzwischen – nicht nur dort – bestätigt.

Lesen Sie HIER Teil 3 des Artikels.

Geschrieben von und © 1994, überarbeitet 2008 und 2021, für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

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