„HARIBO macht Kinder froh … und Erwachsene ebenso.“ (Werbeslogan)
Gleich zu Beginn einiger CBQ-Veranstaltungen wird mir von TeilnehmerInnen die Frage gestellt: „Spielen wir heute auch mit LEGO®?“ Manchmal sage ich: „Ja, aber nur, wenn sie es niemandem verraten …“, aber die Arbeit mit LEGO® SeriousPlay® ist nur eine Möglichkeit, um im Sinne des Auftrags zu Ergebnissen zu kommen, und kommt bei mir im Rahmen des TeamCoachings eher verhalten zum Einsatz. Ich gebe es jedoch gerne zu: es ist einer der kreativsten Ansätze, denn “begreifen“ hat ja schon sprichwörtlich etwas mit “greifen“ zu tun.
Mitte der 1990er-Jahre hatten der Schwede Johan Roos und der US-Amerikaner Bart Victor eine verrückte Idee. Könnte es, und wenn ja, wie könnte es gelingen, Erwachsene für das Spiel mit LEGO®-Steinen zu bewegen? Beide entwickelten am „Institut für Development Management“ ein Set an Kunststoff-Modulsteinen, um auf die zunehmenden Forderungen nach einem spielerischen Umgang mit Theorien und Strategieentwicklungen in Managentetagen von Konzernen einzugehen. Und weil ihre Spielzeuge seriös eingesetzt werden sollten, wählten sie als Name: LEGO® SeriousPlay®. – Also sinngemäß: „Ein ernstes Spiel mit LEGO®“.
Roos ist ein Organisationstheoretiker, der Dekan der Stockholm School of Economics war und heute Chefstratege einer Business Schule ist. Victor war Mitbegründer und CEO von Executive Discovery LLC, einem Unternehmen der LEGO® Group und ist heute Professor in Nashville/USA. 1996 stellten Roos und Victor ihre Entwicklung der staunenden Öffentlichkeit vor und seither arbeiten zehntausende Trainer und Coaches weltweit mit deren Möglichkeiten. Das Prinzip sieht in etwa so aus:
Es gibt drei Ebenen des Spielgeschehens: 1.) Die individuelle Ebene, 2.) Die gemeinschaftliche Ebene und 3.) Die Systemebene. Zunächst werden den TeilnehmerInnen zur Nutzung ihrer strategischen Vorstellungskraft drei unterschiedliche aber miteinander verbundene Formen der Imagination geboten: a) das Beschreiben von Situationen, b) die Darstellung von Kreativität, c) die Herausforderung der Aufgabe, um die es geht. Obwohl die TeilnehmerInnen des TeamCoachings es vielleicht noch nicht erkennen, aber strategische Vorstellungskraft ist ein komplexes Zusammenspiel zwischen a), b) und c) und LEGO® SeriousPlay® eröffnet aus meiner Sicht eine sehr gute Möglichkeit, die komplexe soziale Dynamik der Strategieentwicklung zu verstehen.

a), b) und c) wurden im Übrigen in Anlehnung an Forschungsergebnisse aus der Anthropologie entwickelt, wonach die kognitive Entwicklung eines Menschen eng mit einem dreiphasigen Spielprozess verbunden ist: dem Bauen (um neue Ideen anzuregen), dem Erzählen von Geschichten (um Erlebnisse oder Bedeutung zu teilen) und dem Engagement für Abläufe (um neue Entwicklungsrichtungen in Erwägung zu ziehen). LEGO® SeriousPlay® hilft Menschen daher – richtig eingesetzt – dabei, auf eine ganz neue Art zu kommunizieren und Dinge zu verstehen bzw. zu betrachten.
Ausschlaggeben sind die Förderung von Kreativität und Innovationskraft durch das Zusammenwirken von Kopf und Händen, das Geschichtenerzählen, um Problemlösungsmodelle auf eine zwischenmenschliche Ebene herunterzubrechen, und die Wertschätzung eigener Ideen durch das Team oder die Gruppe. Für den gemeinsamen Erfolg ausschlaggebend sind meiner Feststellung nach vor allem die sinnhaften Gespräche, die dank der Unterstützung von LEGO® SeriousPlay® möglich sind, denn das „Denken und Lenken mit den Händen“ fördert die Akzeptanz und das Verständnis für Probleme und zeigt neue Perspektiven und Denkansätze.
Allerdings erfordert es viel Zeit und Mühe, ein erfahrener Moderator für LEGO® SeriousPlay® zu werden, der Spieler auf allen drei Ebenen des „Ernsten Spieles“ souverän (beg)leiten kann. Daher lege ich in meinen Anwendungseinsätzen den Fokus vor allem auf die erste – also die individuelle – Ebene. Als Verfechter der partizipativen Begleitung und Anleitung von Menschen, ist es für mich essentiell, Partizipation, also Teilhabe an Entwicklungsprozessen oder der Ideen- bzw. Lösungsfindung zu ermöglichen und dies ist es auch, um was es mir in der individuellen Ebene von LEGO® SeriousPlay® geht.
Durch Einbezug, Verantwortung und Mitspracherecht soll so über das Spiel hinaus eine erhöhte Arbeitsmotivation, Leistungsfähigkeit und Mitarbeiterzufriedenheit erreicht. Sobald dies von Verwaltungsführungskräften wahrgenommen wird, verstehen diese ihre Mitarbeitenden plötzlich besser und unterstützen und begleiten sie. Mitarbeitende wiederum lernen durch Partiziption, ihre Wünsche und Ansprüche zu reflektieren und im Sinne einer Weiterentwicklung von Aufgaben zu nutzen – kurzum: die emotionale Beteiligung an der weiteren Entwicklung der „eigenen“ Verwaltung wächst.
Geschrieben von und © 2020 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining
Nachtrag: Für die Ebenen 2 (= gemeinschaftliche Ebene) und 3 (= Die Systemebene) nutze ich in aller Regel andere, klassischere manuelle, Methoden des Teambuildungs, wie z.B. „Tennisball und Regenrinnen“ oder den KOYAANISQATSI Balanceakt.