AGILE V-TEAMS UND DER KONZERN STADT (I) | Eine Win-Win-Situation in Punkto Handlungsfähigkeit

„Die Erfolgreichen suchen sich die Umstände, die sie brauchen um erfolgreich zu sein. Und wenn sie diese nicht finden, dann schaffen sie sich die Umstände selber.“ (George Bernard Shaw)

Auf Initiative von Klaus Clausnitzer wurden bei der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg (BfA / heute: Agentur für Arbeit) Anfang 1994 sog. agile „V-Teams“ eingeführt, da man es als Problem erkannt hatte, dass es einerseits eine hohe Zahl von nicht vermittel­baren Arbeitslosen gab und andererseits eine beträchtliche Anzahl an offenen Stellen vorhanden war, die nur schwer zu besetzen waren.

Bis dato war bei der BfA so verfahren worden, dass die SachbearbeiterInnen in den Arbeitsäm­tern das Anforderungsprofil der freien Stellen mit dem Leistungsprofil der Bewer­ber abgleichen mussten, um möglichst zielgenau beide Seiten des Arbeits­marktes zusammenzubringen. Hierfür musste viel Zeit investie­rt erden und zwar nicht nur bei den Arbeitsämtern sondern auch bei den Arbeit­gebern, die sich die Zeit nehmen mussten, um ihre Entscheidungen zu treffen. Letztere wieder­um be­mängelten, dass die Arbeitsämter ihre Wünsche nicht genau genug kennen würden, weshalb es zwangsläufig zu unbefriedigen­den Er­gebnissen kommen müsste. Genau in diese Richtung ging Clausnit­zers In­tention, denn, so die Folgerung des BfA-Chefs, „Die Arbeitsämter müssen einfach mehr den Kontakt zu den Betrieben halten, müssen vor Ort gehen.“

So schuf die Bundesagentur unter der Bezeichung „V-Teams“ Verwaltungs-Teams, deren Aufgabe hauptsächlich darin bestand, in den Betrie­ben die richtigen Stellen für die Stellenbewerber zu aquirieren. Aus allen zu­ständigen Abteilungen der Arbeits­ämter wurden daher bis zum Ende der 1990er Jahre Gruppen bzw. Teams ge­bil­det, bestehend aus den MitarbeiterInnen, die bisher schon besonders gern Kontakte nach Außen wahrnahmen. Ihre Aufgabenstellung: ei­nerseits Klein- und Mittelbetriebe zu be­raten und deren Wünsche und An­sprüche an Stellenbewerber zu erfassen und andererseits die gleiche Kraft und Mühe auf die Gespräche mit Arbeitssu­chenden verwenden, damit am Ende des Prozesses die passen­den Stellen und Bewerber rasch zu­sammengeführt werden konnten.

Die Arbeit dieser Teams war zwar branchenübergreifend ausgelegt, aber es sollte möglichst auch darauf geachtet werden, dass in den V-Teams langfristig möglichst immer die gleichen Mitarbeiter auch den gleichen Arbeitgeber betreuen, um so zeitrau­bende Doppelarbeit zu vermeiden. Agile V-Teams habe man ins Leben gerufen nicht wegen der Konkurrenz durch private Arbeitsvermitt­lern, so Clausnitzer, sondern trotz dieser Konkurrenz. Fazit: Auch hier belebte Konkurrenz das (Verwaltungs-)Geschäft.

Schon dieses Beispiel vom Ende des letzten Jahrhunderts belegt den Nutzen von Agilität und zeigt, welch enormes Potenzial diese bietet. Das Ende der V-Teams zum Jahrtausendwechsel zeigt aber ebenso deutlich, dass oft die an die Einführung von Agilität geknüpften Ziele nicht erreicht werden. Unabhängig davon, dass im gewählten Beispiel nach dem Regierungswechsel zur rot-grünen Koalition neue Prioritäten gesetzt wurden, können Gründe für das Nicht-Erreichen von Zielen darin liegen, dass öffentliche Verwaltungen ihre agile Transformation bereits mit der Einführung einer agilen Methode als abgeschlossen betrachten. Das aber reicht keinesfalls aus, denn zu einer agilen Transformation gehören unverzichtbar auch der Wandel von Strukturen und Prozessen bis hin zur Hinterfragung der Dienstleistungsphilosophie. Vor allem Letzeres gehen viele Verwaltungsorganisationen nicht oder nicht konsequent genug an, was oft die ganzheitliche agile Transformation ausbremst, bevor diese richtig begonnen hat.

Doch nicht nur bei der BfA hatte sich die Idee, vor Ort zu gehen anstatt vom „grünen Tisch“ der Büros aus zu handeln, im Laufe der 1990er und 2000er Jahre durchgesetzt. So veranstaltete beispielsweise das Baude­zernat der Stadt Jena regelmäßig Bürgerinformationsabende in den Stadttei­len, die besondere Anforderungen an die Verwaltungsarbeit stellten, wie: Straßenerneuerung mit anschließender Ausbaubeitragszahlung, Umlegungsverfahren, stadtplanerische Gestaltungen. Es ist ganz natürlich, dass anfangs innerhalb der Verwaltungen die Skepsis groß war, ob man mit solchen Vor-Ort-Veranstaltungen die Bürger nicht erst richtig „wecken“ würde, sie dafür interessieren würde, die bisherige Arbeit der Verwaltung genau anzuschauen, sie sozusagen 2unter die Lupe“ zu nehmen.

Lesen Sie HIER Teil 2 des Artikels!

Geschrieben von und © 1994, überarbeitet 2008 und 2021, für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

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