Rainer W. Sauer ist seit 1975 in und mit der Verwaltung tätig. Er zählt zu den erfahrensten Verwaltungstrainern in Deutschland und ist zudem Team- und Individual-Coach. Sauer arbeitet auch als Radiomoderator, Vortrags- bzw. Keynote-Redner, entwickelt mit seinem Team Trainingsmodelle und hat 2020 CBQ Verwaltungstraining gegründet, um Führungskräfte wie Mitarbeitende der Öffentlichen Verwaltung optimal zu trainieren bzw. zu coachen. /// Anhand vielfältiger Praxisbeispiele hilft er in diesem Blog Verwaltungen dabei, Optionen zu entwickeln und diese dann in praxisorientierte Ergebnisse zu wandeln, eigene Stärken auszubauen und sinnvoll zu handeln. Dabei regt er an, keine Ausreden gelten zu lassen, Eigenverantwortung zu übernehmen und lateral zu denken. /// Sein Charisma ist auch über den Äther und im Netz zu erleben: Anfang der 2000er Jahre wurde Rainer W. Sauer für seine Radiosendungen mit mehreren Hörfunkpreisen ausgezeichnet.
„Es gibt Diebe, die nicht bestraft werden, und einem doch das Kostbarste stehlen: die Zeit!“ (Napoléon Bonaparte)
,Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt „Muss ich meine Arbeit eigentlich perfekt machen?“ Bevor Sie jetzt entrüstet „Ja“ sagen, sollten Sie sich einmal vor Augen führen, daß z.B. Hersteller von PC-Software so gut wie nie ein 100-prozentig perfektes Produkt anstreben. Dort begnügt man sich mit 80% Qualität.
Dies gilt beispielsweise für die Firma Microsoft die mit Windows über die Jahre das weitverbreitetste Computerbetriebssystem unserer Zeit vertreibt. Eine solche 80%-Vorgehensweise eröffnet Microsoft die Möglichkeit, ein Produkt (z.B. Windows oder Office) später nochmals in einer Update-Version auf den Markt zu bringen – der Konzern selbst spricht von einer „verbesserten Version“ und vermeidet es so, zugeben zu müssen, dass man den Kunden zuvor für viel Geld ein schlech(ter)es Produkt. Beim Waschmittel Persil von Henkel ist das nicht anders, wenn man Jahr für Jahr „Das beste Persil aller Zeiten“ anpreist. Kritik ist hier ohnehin nicht vonnöten, denn die Kunden wollen ja nicht ewig auf etwas Besseres warten sondern zeitnah Verbesserungen nutzen können.
Ausschlaggebend, um das Prinzip zu verstehen, ist folgende Überlegung: 100% Qualität sind wahrscheinlich sowieso nicht zu erreichen. Wenn man aber mehr als jene 80% an Qualität erzielen möchte, stehen Kosten und Zeitaufwand in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum Endergebnis. 100% erreichen zu wollen, wäre also weder wirtschaftlich noch von der Entwicklungszeit her zu vertreten. Das gilt auch für weite Teile der Verwaltungsarbeit. Mit Ausnahme vom Finanzwesen, bei dem Akkuratesse unverzichtbar ist, ist es sinnvoll, dass man / frau sich vom Zwang zu allzu perfekter Arbeit befreit, um Zeit zu sparen (oder zu gewinnen). Gewiß darf das kein Freibrief dafür sein, von nun an schlampig zu arbeiteten. Dies könnte für Sie fatale Folgen mit sich bringen; vor allem deswegen, weil Sie sich nur schwerlich mit Ausssicht auf Erfolg auf einen ‚Blackout‘ berufen können, wie bestimmte Politiker. Aber Sie können mit dem Verzicht auf die Ablieferung der perfektesten Arbeit innerlich freier werden, gewinnen mehr Zeit und bringen die Arbeit und das Arbeitsergebnis auf den Punkt.
Es versteht sich nämlich von selbst, daß es keinen Sinn macht, in jedem Fall und in jeder Facette seines Arbeitsfeldes perfekt zu sein. Vergeben Sie sich wirklich etwas, wenn Sie zugeben, daß Sie auf einem Gebiet nicht perfekt sind? Viele versäumen es aus falschverstandenem Stolz in einem solchen Fall einen fachkompetenten Kollegen zu Rate zu ziehen? In einem funktionierendem Team aber hat jeder seine Aufgabe und sein, wenn auch noch so kleines, Fachgebiet. Also: Um Rat fragen tut Ihrem Image in der Verwaltung keinen Abbruch, und Sie haben Zeit für andere, wichtigere Dinge.
Das Pareto-Prinzip
Der italienische Volkswirtschaftler Vilfredo Pareto fand um 1900 heraus, daß 20 % der Bevölkerung 80 % des Volksvermögens besaßen. Dieses sogenannte ’20 zu 80-Paradoxum‘ ist überraschender weise auch in anderen Bereichen des Lebens feststellbar. So verursachen 20 % der Fehler bei der Produktion 80 % des Ausschusses. Oder 20 % der Aufgaben einer Verwaltung erzeugen 80 % der Kosten. Unternehmen tätigen mit nur 20 % der Kunden 80 % ihrer Umsätze. 20 % aller Mitarbeiter verursachen 80 % der gesamten Fehltage.
In der Verwaltungspraxis ist das ‚Pareto-Prinzip‘ ein gutes Problemlösungs-mittel im Rahmen des Zeitmanagements. Es eignet sich sowohl gut zur Auswahl von Projekten und Alternativen als auch bei der Ermittlung von Problemursachen. Wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß in der (Pareto-) Regel 80 % der Arbeit in 20 % der Zeit erledigt werden, währenddem die fehlenden 20 % der Arbeit nur in den restlichen 80% der Arbeitszeit zu erreichen sind, werden Sie – mit dem Hintergedanken, daß es einen 100 %igen Erfolg sowieso so gut wie nie gibt – garantiert demnächst dazu übergehen, daß Sie mit 20 % Zeitaufwand 80 % des Arbeitserfolges erreichen.
Hinzu kommt noch, daß 20 % der zu erledigenden Arbeit aus wichtigen Aufgaben (Entscheidungen ect.) und 80 % aus relativ nebensächlichen Dingen (Briefe entwerfen und/oder selbst schreiben) bestehen. Dies bedeutet in der Konsequenz, daß 80 % der Arbeitszeit für die vielen, relativ nebensächlichen Aufgaben verschwendet werden.
Sie sehen also: Es führt auch für Sie kein Weg an einem neuen Umgang mit der Zeit (= dem Zeitmanagement) vorbei.
Ein wichtiges Element für Zeitmanagement ist die Verplanung der Zeit. Für Sie persönlich bedeutet dies: Bringen Sie ihre Tätigkeiten auf den Punkt und setzen Sie sich selbst Ziele und Termine! Schreiben sie sich Ihre Ziele auf und notieren Sie dazu wie und bis wann Sie Ihre Ziele erreicht haben wollen. Auch wenn Ihnen das Aufschreiben schwerfällt: Es zwingt Sie zu exakterem Nachdenken und zu präziserer Artikulation und zeigt schon erstaunlich schnell für Sie persönlich die ersten Erfolge. Denken Sie daran, daß auch ein Marathon-Läufer das Ziel nur dann erreicht, wenn er es stets vor Augen hat. Verlieren Sie das Ziel aus den Augen, werden Sie es nur über Umwege (= Zeitvergeudung) erreichen.
Schreiben Sie also Ihre Ziele auf. Und benutzen Sie dafür nicht den herkömmlichen Terminkalender, mit dem Sie ja bisher so gut (?) geplant haben; verwenden Sie ein Zeitplanbuch. Sie werden nun fragen: Wieso soll ich mir ein Zeitplanbuch anschaffen; tut es mein Terminkalender nicht auch? Mit dieser Frage haben Sie vollkommen recht, denn Zeitplanbücher sind in der Regel recht kostenintensiv. Aber ein Zeitplanbuch hat gegenüber Ihrem Terminkalender etliche Vorteile. So haben Sie genügend Platz, all Ihre Zeitfallen/Zeitstörungen aber auch Ziele, Gedanken und Termine einzutragen. Diesen Platz bietet Ihnen Ihr Terminkalender nicht. Wollten Sie solche Daten auf dem Papier Ihres Terminkalenders eintragen, wäre das Ganze unhandlich und unübersichtlich; im Bedarfsfall können Sie dann nicht unmittelbar auf Ihre Informationen zugreifen. Außerdem ist Ihr Terminkalender starr. Sie können (z.B. zum Jahreswechsel) nichts wegnehmen, ergänzen oder erweitern, ohne ihn zu beschädigen. Adressen, Notizen, Ziele oder Hilfsmittel in einem Zeitplanbuch können aber von Jahr zu Jahr weiter genutzt werden.
Wenn Sie Ihr Zeitplanbuch gut führen, funktioniert es wie ein kleines Büro, das Sie überall mit hinbegleitet. In ihm enthalten sind Telefon-Nummern und Adressen, Daten und Informationen genauso wie Ihre Tages-, Wochen- und Monatsplanung sowie andere wichtige Informationen und auch Ihre Problemlösungen. Ihr Zeitplanbuch kann seine Bedeutung für Sie im Arbeitsalltag aber nur dann entfalten, wenn sie es täglich nutzen und stets auf dem neuesten Stand halten. Sollten Sie aber trotzdem einmal feststellen, daß Sie Ihr Buch nicht konsequent weitergeführt haben, dann legen Sie es nicht beiseite, sondern versuchen erneut es konsequent zu führen. Mary Allen (‚DIE MARY-ALLEN-DIÄT‘) hat einmal gesagt, daß die meisten Diät-Versuche und Fastenkuren nicht deshalb ein Mißerfolg wurden, weil während der Diät-Kur gesündigt wurde, sondern weil man nach dem Sündigen die Diät enttäuscht über sich selbst abgebrochen hat.
Am Schluß der kleinen Exkursion durch das Zeit-Management habe ich die Planung des Verwaltungs-Arbeitstages, die ihnen auch kein Computer abnehmen kann, gestellt. Auf Grund Ihrer eigenen Erfahrungen wissen Sie, wie vielfältig die Störmomente im Laufe Ihres Arbeitstages sein können. Durch Kollegen, Telefonate, Publikumsverkehr usw. können Ihre Aktivitäten gebremst, die Konzentration unterbrochen und die bisher geleistete Arbeit zerstört werden. Arbeitsforscher haben errechnet, daß es wegen wiederholter Anlaufzeiten für ein und dieselbe Arbeit zu einem Leistungsverlust von bis zu einem Drittel kommen kann. Sie sollten sich deshalb für jeden Arbeitstag eine persönliche Stunde einrichten, während der sie von niemandem gestört werden möchten. Überlegen Sie einmal, was Sie nicht alles in dieser Stunde leisten können bzw. könnten. Vielleicht haben Sie ja auch noch so einen Tag in Ihrer Erinnerung, an dem Sie besonders viel zu Wege brachten, weil Sie konsequent arbeiten konnten.
Seien Sie in dieser Stunde, wie während Beratungen, Konferenzen, Telefonaten usw., für Andere einfach nicht anwesend bzw. ansprechbar. Bitten Sie Ihre Kollegen, in dieser Zeit nicht anzurufen; wenn nötig empfiehlt es sich gar, ab und an den Hörer neben das Telefon zu legen. Sorgen sie dafür, daß Sie in dieser Stunde nicht gestört werden; sollte dies nicht funktionieren, schließen Sie beim nächsten Mal einfach Ihre Tür ab. Sollten Sie aber zu denjenigen gehören, die stets eine geöffnete Bürotür bevorzugen, sollten Sie sich einmal fragen, ob Sie sich nicht insgeheim wünschen, gestört zu werden, damit Sie nicht an die Hauptarbeit bzw. unliebsame Tätigkeiten heran müssen. Leichtfertig in Kauf genommene Störungen werden Sie bitter bereuen; spätestens dann, wenn Sie selbst eingestehen müssen, daß Sie wieder einmal zu (fast) nichts gekommen sind.
Schätzen Sie auch die Zeit, die Sie für eine bestimmte Tätigkeit brauchen, möglichst realistisch ein und kalkulieren Sie hierbei auch noch Reservezeiten hinzu. Andernfalls wird es buchstäblich eng und Ihre Planung für diesen Tag kann in sich zusammenbrechen. Teilen Sie Ihre Aufgaben nach dem ‚Pareto-Prinzip‘ auch in verschiedene Prioritäten ein:
A = besonders wichtige, sofort und persönlich zu erledigende Tätigkeit.
B = nicht so wichtige, persönlich (oder von anderen), kurz- oder mittelfristig zu erledigende Tätigkeit.
C = persönlich unwichtige, (auch von anderen) mittel- oder langfristig zu erledigende Arbeit.
Schreiben Sie sich am Beginn des Tages auf, welche A- und B-Aufgaben heute zu erledigen sind und wem Sie die C-Aufgaben übertragen könnten.
Denken Sie auch daran, die Arbeitsmittel Ihres Büros/HighTech-Büros optimal und den Erfordernissen angepaßt zu nutzen. Denken Sie daran, daß Chaos im Büro Ihnen keine Zeitersparnis bringt.
Lernen Sie richtig zu telefonieren!
Das Telefon erweist sich nämlich als hartnäckiger Zeitdieb und Störfaktor im Verwaltungsleben. Anrufe werden meist nicht auf ein bestimmtes Ziel hingesteuert; eigene Gespräche finden oft unvorbereitet statt. Dabei kann Ihr Telefon eines Ihrer effektivsten Zeitsparmittel sein.
Zum einen erfolgt die Informationsübermittlung äußerst schnell, zum anderen erreichen Sie einen Gesprächspartner direkt und haben persönlichen Kontakt, ohne sich auf den Weg zu ihm machen zu müssen. Vor jedem Telefonat sollten Sie daher prüfen:
– Besteht wirklich Grund für diesen Anruf oder könnte ich auch hierauf verzichten?
– Treffe ich den Gesprächspartner nicht ohnehin demnächst?
– Wären andere Informationsmittel nicht besser geeignet?
– Liegen meine Unterlagen, um das Ziel des Telefonates zu erreichen, bereit?
Außerdem sollten Sie immer Ihren Zeitplaner bereitlegen und hierin eine Gesprächsnotiz vermerken.
Ach, noch etwas! Lassen Sie sich bei Ihrem Bemühen, Ihre Zeit zu organisieren, nicht entmutigen; auch nicht von Ihrem schwerwiegendsten Störmoment: Ihrem Vorgesetzten. Leitende kümmern sich nämlich selten um die persönliche Zeitplanung ihrer Mitarbeiter (wie sollten sie auch, denn sie kennen ja deren Terminplaner nicht) und bringen dadurch mitunter das Zeitmanagement ihrer Mitarbeiter kräftig durcheinander. Wenn dies Einzelfälle sind, dann denken Sie ruhig: ‚Was solls?‘ und werfen Ihren Zeitplan für diese Stunden/diesen Tag einmal durcheinander, sofern es sich einrichten läßt. Sollten sich Leitende aber als chronische Zeitdiebe erweisen, reden Sie mit ihnen über die Vorzüge von richtigem Zeitmanagement. Denn auch Leitende möchten schließlich nicht, daß sie es sind, die ihren Mitarbeitern die Zeit ’stehlen‘!
Und nicht vergessen:
AUCH DER COMPUTER KANN IHNEN IHRE ZEIT STEHLEN! Dies ergab jedenfalls eine Studie des amerikanischen Software-Herstellers SBT-Accounting Systems, die im „WALL STREET JOURNAL“ veröffentlicht wurde; aber das wissen Sie ja schon, wenn Sie das Kapitel über die High-Tech-Verwaltung“ gelesen haben.
Geschrieben von und © 1994 – 1995 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining