PRIVATISIERUNG – JA ODER NEIN? | Verwaltungsdienstleistungen pragmatisch betrachtet

„Der Bund ist – ich will es mal lieb ausdrücken – in Geldnot. Deshalb sagen wir: Hey, Bund, verkauf einen Teil deines Vermögens, damit wir uns frisches Kapital aus dem Markt holen können – zum Wohle von Kunden und Steuerzahlern.“ (Hartmut Mehdorn)

Wer soll in Schulen und Kindergärten sauber machen, in den Rathäusern und Behörden von Städten und Gemeinden kleinere Baureparaturen erledigen oder öffentliche Grünanlagen pflegen, wer soll für den Nahverkehr fahren, wer des Bürgers Müll entsorgen, ihm Wasser und Energie anbieten, wer Briefe und Päckchen aus­tragen: Be­schäftigte der Verwaltung oder private Unternehmen?

Dar­über scheiden sich in Deutschland mindestens schon seit Mitte der 1970er Jahre die Geister. Nach verschiedenen Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes EMNID aus den letzten zwei Jahrzehnten be­fürwortet die Mehrheit der Bundesbürger (mal sind es 70, mal 80 Prozent) eine Privatisierung von kom­munalen Dienstleistungen. Sehr viele Bür­gerinnen und Bürger seien zudem der Mei­nung, dass öffentliche Verwaltungen schlechte Unternehmer sind und eine Privati­sierung neben einer höheren Effi­zienz auch eine Entlastung der Staats­kasse mit sich bringen würde.

Auch aus diesem Grund befinden sich seit den 1990er Jahren in zunehmendem Maße Teile der einst bundeseigenen Verwaltung in externer Hand. Angefangen bei der Postreform, durch die zwischen 1989 und 1996 sämtliche Beschäftigungsverhältnisse in die privatisierten Unternehmen Deutsche Post, Telekom und Postbank umgewandelt wurden, über die Bahnreform, (= Überführung der Bundesbahn sowie der Reichsbahn in die Deutsche Bahn AG, eine privatrechtliche Organisation des Eisenbahnverkehrs, die ein flexibleres Agieren am Markt ermöglichen sollte) bis hin zur Deutschen Flugsicherung, die als eine GmbH in Form eines beliehenen Unternehmens bis heute Teil der Luftverkehrsverwaltung des Bundes ist und sich deshalb im ausschließlichen Eigentum der Bundesrepublik Deutschland befindet.

Dagegen vertreten die Kommunalen Spitzenverbände, allen voran der Deutsche Städte- und Gemeindebund, die Mei­nung, dass private Dienstleistungen nicht generell preiswerter und besser seien als öffentliche. Außerdem verlangt man, da die Privatisierung kommunaler Auf­gaben nicht zu einer höheren finanziellen Belastung der Bürger oder zu einer Einschränkung demokratischer Kontrollmöglichkeiten führen dürfe. Doch wie sieht es derzeit (= Stand 2020) vor Ort in den Kommunalverwaltungen aus. Hier gibt es einige nicht-repräsentative Beispiele für die Übertragung von Dienstleistungen:

Stadt V. (kreiszugehörig / 20.000 Einwohner): Die Pflege der öffentlichen Grünanlagen wurde aus dem städtischen Bauhof ausgegliedert. Eine Privatfirma, welche den Zuschlag für die Pflege­arbeiten bekam hat drei der fünf städtischen ABM-Kräfte in eine feste Anstellung unternommen. Der Haushaltsplan wurde in diesem Bereich um etwa 15 % entlastet. Wasser/Abwasser wird weiterhin vom zuständigen Umlandverband betreut. Gedanken macht man sich über eine Aus­gliederung des Bauhofes als eigenständige Firma und hat hierzu Kontakt mit dem Verband kommunaler Unternehmen e. V. aufgenommen.

Stadt W. (kreiszugehörig / 25.000 Einwohner): Der städtische Bauhof wurde als eigenständige Firma ausgeliedert. Der bisherige Eigenbetrieb „Städtische Wohnungen“ wurde in eine GmbH umgewandelt. Man denkt über eine Übergabe der Gebäudereinigung an ei­ne Privatfirma nach.

Stadt X. (kreiszugehörig / 50.000 Einwohner): Das Rathaus, die städtischen Kindertagesstätten, Schulen und Turnhal­len werden schon seit mehreren Jahren nicht von städtischen Angestellten gereinigt. Mit der damit beauftragten Firma habe man gute Erfahrungen gemacht. Die anfänglichen Probleme mit der Sauberkeit seien inzwi­schen ausgeräumt; die Preise der Firma stiegen zwar beständig aber „angemessen“, so die Verwaltung – schwierig sei die rechtskonforme Ausschreibung der Dienstleistungen. Einige Aufgaben im Baubereich wurden an private Anbieter übertragen wie zum Beispiel Hoch- und Tiefbauplanung und Bauleitung.

Stadt Y. (kreisangehörig / 85.000 Einwohner): Abschaffung des Rechtsamtes und Beauftragung eines ortsansässigen Anwaltsbüros. Entlastung des Tiefbauamtes durch Auftragsvergabe an Fachbüros. Abgabe der Wartung von städtischen Wohnungen an eine Fremdfirma. Übertragung fast aller Gebäudereinigungsarbeiten sowie der Hausmeisterdien­ste an Privatfirmen. Stadtplanerische Aufgaben erledigen Architekturbüros, deren Honorarforderungen mittlerweile allerdings sehr hoch sind. Im Bereich des ÖPNV wurde zusammen mit den anderen Mitgliedern im Nahverkehrs-Verbund eine Tochtergesellschaft gegründet (GmbH), die alle neuen Busfahrer einstellt. Diese werden nach dem (privatwirtschaftlichen) Tarifvertrag für Busfahrer und nicht nach dem für die Stadt etwa 25 bis 30 Prozent teureren Tarifvertrag für ÖPNV bezahlt.

Stadt Z. (kreisfrei / 160.000 Einwohner): Auflösung des Wohnungsamtes und Übergabe der kommunalen Woh­nungen an eine Baugenossenschaft. Ausgliederung von Tiefbau- und Hochbauaufgaben an Privatfirmen; das Controlling verbleibt bei der Stadt. Abgabe der ablauftechnischen Dinge bei der Steuererhebung an eine Fremdfirma; hoheitliche Aufgaben verblieben bei der Stadt. Gründung der Ei­genbetriebe „Gärten und Friedhöfe“, „Müllentsorgung“ und „Straßenreinigung“. Vermietung städtischer Räumlichkeiten an Dritte.

Diese Liste lässt sich beliebig weiter fortsetzen, was aber nicht notwendig ist, weil sich schon im Rahmen dieser Zusammenstellung einzelne Effekte beispielhaft zeigen. Sie belegt, dass jetzt tatsächlich verstärkt die kommunalen Arbeiten (nicht unbedingt die Aufgaben) an Privat­firmen abgegeben werden bzw. von ausgegliederten Eigenbetrieben erledigt wer­den. Es zeigt sich, dass hauptsächlich im Bereich der Gebäudereinigung die Pri­vatfirmen in der Lage sind Angebote vorzulegen, die eine Stadt oder Ge­meinde nicht ablehnen kann, wenn Sie denn eine Lösung hat, wie sie mit den bislang in die­sem Bereich beschäftigten Mitarbeitenden umgehen soll. Auch im Bereich „Hausmeister“, „öffentliche Grünanlagen“ und „Müllentsorgung“ verbleiben nur selten die Dienste bei der Verwaltung.

Anders sieht es im Bereich kommunaler Aufgaben (eigener Wirkungskreis) aus. Die Vergabe von Rechts­beratung oder Controlling in private Hände ist eher die Ausnahme; gleiches gilt auch etwa für die Betreibung von Jugendzen­tren durch Privatinitiativen oder die Anforderung von Steuern und Gebühren. Doch gerade hier wird sich in den nächsten Jahren Grundlegendes verändern. Die Abgabe die­ser Arbeiten an Dritte wird ebenso selbstverständlich werden wie es heute schon im Baubereich die Vergabe von Architekturaufgaben oder der Bauleitung an In­genieurbüros ist. Diese Fachbüros sind für solche Aufga­ben teilweise besser aus­gerüstet als die Verwaltung selbst. Die wichtigste Aufgabe, das Controlling, bleibt aber nach wie vor der Verwaltung vorbehal­ten. So lehnen es denn auch die kommunalen Spit­zenverbände ab, dass Aufga­ben wie das Einwohnermeldewesen oder die Über­wachung des ruhenden und fließenden Verkehrs aus der öffentli­chen Hand ge­geben werden.

Eines muss aber allen Beteiligten klar sein: Die finanziell lukrativen Teile der Verwaltung werden stets umworben sein, für die kostenintensiven Bereiche jedoch bleibt oft nur der unter betriebswirtschaftlichen Aspekten geführte Eigenbe­trieb, bei welchem sich sehr schnell die Kosten für den Bürger (wie solche für Straßenrei­nigung oder Abfallbeseitigung) mitunter drastisch erhöhen können. Aber auch die Ko­sten für die beauftragten Privafirmen sind nicht ewig stabil. Oft­mals wird mit der Faust in der Tasche bezahlt, was verlangt wird, vor allem dann, wenn aufgrund fehlenden Alterna­tivangebote weiterer Firmen Absprachen im Raum stehen. Ebenfalls erkennbar ist: Manchmal wird durch Privatisierung gespart, „koste es, was es wolle“, wenn nur am Ende der Stel­lenabbau nach außen hin sichtbar gelingt.

Geschrieben von und © 1994 – 2021 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

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