„STIMMMT SO“ … ? | Trinkgeld lässt tief in die Seele des Gebers blicken

Einmal davon abgesehen, dass sich manche Menschen auch heute immer noch die absurde Frage stellen „Soll ich ein Trinkgeld geben?“, stehen wir in der Gastronomie, beim Frisör, in Hotels oder gegenüber TaxifahrerInnen vor der Frage, was ein angemessenes Trinkgeld für die erbrachte Leistung ist. Natürlich kann man Zufriedenheit nicht in einem Geldbetrag ausdrücken und grundsätzlich wäre es tatsächlich besser, MitarbeiterInnen würden von vornherein angemessen bezahlt werden, aber leider ist dem nicht so und nicht nur in nordafrikanischen Regionen, auch in den USA und vielen anderen Ländern gehört es zum gesellschaftlichen Konsens, stets ausreichend Trinkgeld zu hinterlassen, leben doch viele Menschen mit ihren Familien vom alten Brauch des „Tipping“.

Dabei ist das Trinkgeld-Geben eher rassistisch im klassischen SInne, denn es stammt aus Zeiten, in denen die Aristokratie Teil von Zweiklassengesellschaften war und das Personal ab und an von der Herrschaft eine kleine finanzielle Zuwendung erhielt, wenn man / frau mit ihm zufrieden war. Diesen Anachronismus gibt es heutzutage nicht mehr, aber das Trinkgeld spielt immer noch seine gesellschaftliche Rolle. So fragte das Statistikportal STATISA 2019 die Deutschen „Wie viel Trinkgeld würden Sie – bei zufriedenstellendem Essen und Service sowie bei 50 Euro Rechnungssumme – geben?“.

Drei Viertel der Befragten gaben dabei an, in solchen Situationen zwischen zwei und fünf Euro extra zahlen zu wollen. 13 Prozent gaben sogar weniger zwei Euro und drei Prozent der von STATISA-Befragten erklärten, generell kein Trinkgeld zu geben. Heißt: in Deutschland hat sich überwiegend das wohlwollende Aufrunden von rund zehn Prozent der Rechnungssumme etabliert, was auch Clemens Graf von Hoyos, CEO der Knigge Akademie, gegenüber dem SPIEGEL bestätigte. Er wies auch darauf hin, dass es In Europa bezüglich der Prozentsätze ein starkes Nord-Süd-Gefälle gebe: Während in Südeuropa mitunter mehr „spendiert“ werde, gebe man in skandinavischen Ländern weniger Trinkgeld.

Von Hoyos berichtete auch, dass Unterschiede bei der Art des Trinkgeldgebens festzustellen seien. Während beispielsweise in Italien zu Extra-Zuwendung einfach beim Gehen am Platz hinterlassen werde, geben Deutsche das Trinkgeld bewusst, oft versehen mit dem Satz: „Sie können mir … Euro abziehen.“ Doch was rät der Benimmexperte, wenn Kunden oder Gäste bei schlechtem Service womöglich gar kein Trinkgeld geben möchten? Hierbei sei es zumindest nicht wertschätzend, nichts zu geben und das nicht zu begründen, so Clemens Graf von Hoyos. Er vertrete die Meinung, auch in solchen Fällen durchaus Trinkgeld zu hinterlassen, aber trotzdem etwaige Servicemängel direkt anzusprechen.

Bleibt nur noch eine Frage zu klären: Was ist zu tun, wenn bargeldlos gezahlt wird? Zum einen gibt es bei modernen Kartenlesegeräten die Option, direkt auf dem Display der Gesamtsumme einen Prozentsatz als Trinkgeld hinzuzufügen; in der Regel hat der Gast oder Kunde die Wahl zwischen 10, 15 und 20 Prozent. Zum anderen rät der Knigge-Experte dazu, einen kleinen Geldschein parat zu halten, um doch noch trinkgeld geben zu können, auch wenn es elektronisch nicht möglich sei.

Auch hier liegen statistische Daten vor, denn Statista untersuchte 2019 ebenso die Auswirkungen des bargeldlosen Bezahlens auf dass Trinkgeld. Knapp 63 Prozent der Befragten gab an, dass sie bei der Höhe des „Tippings“ keine Unterschiede zwischen Bar- oder Kartenzahlung machen würden. Knapp 11 Prozent erklärten, sie seien bereit, bei der Kartenzahlung das Trinkgeld zu erhöhen. Rund 13 Prozent gaben an, in diesem Fall weniger Trinkgeld zu geben und nochmals 13 Prozent zahlen sogar kein Trinkgeld.

Kleiner Nachtrag: Wie kam es zu dem Aisdruck „tipping“? In Großbritannien entstand es zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit dem Ausdruck „to insure promptness“ (zu deutsch: „um Schnelligkeit zu sichern“), abgekürzt „tip“. Unser Trinkgeld-Begriff stammt dagegenaus dem Mittelalter und entstand aus dem Wunsch heraus, der Empfänger möge damit etwas „auf das Wohl des Spenders“ trinken.

Geschrieben und © 2022 von Rainer W. Sauer für CBQ Verwaltungstraining & BRAIN.EVENTS

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