In einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln (Az. 4 Sa 548/21) ging es um die Arbeitsleistung von Mitarbeitenden, wobei man dazusagen muss, dass es häufig sehr schwierig für Arbeitgeber – egal ob in der Privatwirtschaft oder im Öffentlichen Dienst – ist, die Leistung ihrer Beschäftigten zu messen. Im vorliegenden Fall war das jedoch relativ einfach, weil es um einen Kommissionierer ging, also einen Mitarbeiter, der Waren zusammenstellt. Hier hatte es sich verhältnismäßig einfach feststellen lasssen, wie viel Arbeit dieser in einer Stunde oder an einem Tag im Vergleich zu seinen KollegInnen erledigt.
Konkret hatte der Mann (über mehrere Monate durch seinen Arbeitgeber dokumentiert) rund ein Drittel weniger Aufträge bearbeitet als die anderen Mitarbeiter mit der gleichen Tätigkeit. Im Urteil des LAG Köln heißt es: „Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann.“ Denn jeder Arbeitnehmer schuldet seinem Arbeitgeber eine Arbeitsleistung und zwar nach Ansicht des Gerichts abhängig von seinem Alter, wobei Menschen vor allem mit steigendem Alter unterschiedlich leistungsfähig sind, wie es auch das Bundesarbeitsgericht bereits zuvor in zwei Grundsatzentscheidungen deutlich gemacht hatte.
Der Kommissionierer im erwähnten Rechtsstreit war knapp 50 Jahre alt und sein Arbeitgeber hatte für das Gericht dokumentiert, was Vergleichsgruppen im Alter zwischen 40 und 50 Jahren leisten. Als schlecht für den Mitarbeiter stellte sich heraus, dass selbst die Vergleichsgruppe der über 50-Jährigen noch deutlich produktiver war als er.
Es geht also nicht darum, als älterer Mitarbeiter genauso schnell zu rennen wie ein Mitte Zwanziger, entscheidend ist, wie die eigene Leistungsfähigkeit auszuschöpfen ist. Ist die Schere zwischen der eigenen Leistung und der der Kollegen in gleicher Vergütungsgruppe extrem, beispielsweise wenn man wie hier dauerhaft 30 bis 40 Prozent hinter den Kollegen zurück bleibt, dann ist es die eigene Pflicht, seine Leistungsfähigkeit ausreizen. Macht man dies nicht, kann das dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird.
Wie lange jemand im Unternehmen oder dem Öffentlichen Dienst arbeitet, ist allenfalls für die Interessenabwägung wichtig. Eine ordentliche Kündigung (in die auch der Personalrat eingebunden ist) wird ja stets zweiphasig geprüft: einerseits danach, ob objektiv ein Kündigungsgrund vorliegt, andererseits im Hinblick darauf, ob der Kündigung soziale Aspekte entgegenstehen. Bei jemandem, der über vier Jahrzehnte im Unternehmen ist und in ein, zwei Jahren in den Ruhestand geht, gibt es eine Fürsorgepflicht und hier hätte das Gericht ziemlich sicher anders entschieden. Aber der Kommissionierer im geschilderten Fall hatte ja noch knapp 20 Jahre bis zu seiner Rente.
Eine Alternative zur Kündigung zu finden ist auch nicht so einfach. Das Gehalt zu mindern, funktioniert nicht, denn das Unternehmen des Klägers war ja tarifgebunden – was auch kein Ergebnis in einem einvernehmlichen Mitarbeitendengespräch über eine Kürzung gebracht hätte. Andererseits wirkt eine solche Minderleistung auf die anderen KollegInnen auch demotibierend. Jack Welch, ehemaliger Chef von General Electric hatte ja vor Jahren die 20/70/10-Formel ins Spiel gebracht: die besten 20 Prozent seines Managements belohnen, die breite Mitte fördern und die schwächsten zehn Prozent feuern. Das geht natürlich in Deutschland so nicht. Trotzdem finde ich an Welchs Systematik spannend, dass er im Schnitt 80 Prozent seiner Mitarbeitenden konstatiert, dass sie am wichtigsten für das Unternehmen sind und wird diese breite Mitte durch Kollegen wie im vorliegendne Fall demotiviert, dann ist so etwas gefährlich für den Betriebsfrieden.
Da gibt es nur den Rat, dass jede Verwaltung, jedes Unternehmen einen Augenmerk darauf haben sollte, dass die „Low Performer“, wie sie im Fachjargon auch genannt werden, besser gefördert werden. Hört man in eine Belegschaft hinein, dann weiß man, was die Beschäftigten besonders aufregt: es sind die täglichen kleinen Ungerechtigkeiten. Wenn andere „krankfeiern“ oder wenn KollegInnen zu wenig arbeiten sind hier ganz vorne mit dabei.
Und in den letzten Jahren ist gerade das mobile Arbeiten als eine latente Möglichkeit erkannt worden, dass sich manche vor der Arbeit „drücken“. Das mag sein. Der eine oder die andere versteckt sich hier, aber man darf auch nicht verkennen, dass sich MitarbeiterInnen fast schon förmlich versklavt fühlen: kein richtiger Kontakt zu Kolleginnen erschwert den Austausch, das umgestellte Diensttelefon steht nicht still. Hier muss man unbedingt und dringend miteinander ins Gespräch kommen – im einen wie im anderen Fall, sprich: sowohl wenn jemand von heute auf morgen den Arbeitsplatz wechselt oder aber wenn er oder sie plötzlich auf der Straße sitzt.
Geschrieben und © 2022 von Rainer W. Sauer für CBQ Verwaltungstraining