ZUKUNFTSMUSIK IV | Wie die Malthus’sche-Falle uns auch heute noch in die Irre führt

„Die Bevölkerung hat die dauernde Neigung, sich über das Maß der vorhandenen Nahrungsmittel hinaus zu vermehren.“ (Thomas Robert Malthus)

In meinem Job werde ich immer wieder auch als ZukunftsCoach aktiv und da stelle ich meinen Coachees zu Anfang drei, vier Fragen, auf die sie ihre Gedanken, Überlegungen oder ihr Wissen niederschreiben sollen. Eine davon betrifft den britischen Nationalökonom Malthus, der innerhalb von knapp 25 Jahren in zwei wesentlichen Schriften („An Essay on the Principle of Population“ von 1798 und den „Principles of Economics“ 1820) die Endlichkeit der irdischen Ressourcen mit der Dynamik des menschlichen Bevölkerungswachstums in Relation setzte.

Als mathematische Gesetzmässigkeit berechnet, weis Malthus es als erwiesen und unabwendbar dar, dass der Homo Sapiens „schicksalhaft“, wie er es ausdrückte, dem Gesetz der unbegrenzten (exponentiellen) Vermehrung gehorcht, während sich die hierfür notwendigen Ressourcen sich nicht in den dafür notwendigen Proportionen (linear) erhöhen. Nach seiner Ansicht Malthus reichen bei einer weiter unbeschränkten Vermehrung irgendwann die Lebensmittel nicht mehr für die Ernährung der Erdbevölkerung aus, selbst wenn es (Zitat) „korrigierende Ereignisse“ wie Pandemien, Elend oder Kriegen gibt, die das Wachstum der menschlichen Bevölkerung begrenzen würden.

Da er auch fragwürdige Lösungsvorschläge gab, etwa (Zitat) „Geschlechtsverkehr setzt den Willen zur Fortpflanzung voraus und das können sich nur Begüterte leisten.“ gilt er heute als anti-humanistischer Denker, weil er seinerzeit bedeutenden politischen Einfluss besass und seine Theorie in England im 19. Jahrhundert zu einer neuen Gesetzgebung führte, die den Hilfsbedürftiger kaum noch Unterstützung brachte und beispielsweise von Charles Dickens in dessen Werken massiv angeprangert wurde. So meinte Thomas Malthus auch, ein mittelloser Mensch, dessen Arbeit der Gesellschaft „nichts nütze“, habe „nicht das mindeste Recht, irgendeinen Teil von Nahrung zu verlangen, denn er ist wirklich zu viel auf der Erde“. Gegen Ende seines Lebens strich Malthus zwar diesen Satz wieder, aber er fasst sein Denken doch recht gut zusammen.

Meine Frage als ZukunftsCoach geht dahin, dass man / frau aufschreiben soll, was gegen die Malthus’sche Ansicht spricht, dass die Menscheit zwangsläufig verhungen müsse. Das dürfte kein Problem sein, erkläre ich dann, weil die Menschheit 1820 aus rund einer Milliarde Menschen bestand und zweihundert Jahre später aus etwa 7,8 Milliarden und gleichwohl nicht ausgestorben ist. Wichtig sind dabei nicht die niedergeschriebenen Worte, sondern der Denkansatz selbst.

Es gibt in der Geschichte der Nationalökonomie wohl kaum eine Theorie, die durch die tatsächliche Entwicklung deutlicher wiederlegt wurde als die Malthusianische. Seit 1800 stieg die Erdbevölkerung von weniger als einer Milliarde Menschen um das Achtfache auf heute mehr als 7.5 Milliarde. Zugleich ist der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung auf heute knapp über 10% gesunken. Zum Vergleich: Der Anteil der vom Hunger bedrohten Menschen im Jahr 1800 lag bei über 90% (so mussten 1800 noch 95% mit weniger als dem Äquivalent von 2 US Dollar in Preisen von 1985 auskommen). Hunger über breitere Bevölkerungsschichten hinweg beschränkt sich heute nahezu ausschliesslich auf den afrikanischen Kontinent. Und auch hier liegen seine Ursachen selten darin, dass es rein mengenmässig zu wenig Nahrung gibt, sondern verantwortlich dafür sind diverse soziale, politische und ökonomische Faktoren, die bedingen, dass Nahrung nicht zu denjenigen gelangt, die sie brauchen.

Denn was führte dazu, dass Malthus mit seiner Theorie derart deutlich falsch lag? Die Antwort liegt für uns Menschen des 21. Jahrhunderts auf der Hand: der technologische Fortschritt. Der Nationalökonom blickte im Rahmen seiner empirischen Untersuchungen auf eine Agrargesellschaft, was erstaunlich ist, da zu der Zeit gerade in England bereits die industrielle Revolution begann (Entwicklung einer Spinnmaschine 1764, Fortentwicklung der Dampfmaschine 1788). Doch Thomas Malthus betrachtete nur den damaligen Stand der Technologien und setzte diesen auch für die Zukunft als feste Größe (Standard). Selbst die konkreten Innovationen in der Landwirtschaft wie die Entdeckung der pflanzenwachstumsfördernden Wirkung von chemischen Mitteln wie Stickstoff oder Phosphaten konnte er in sein Denken nicht mit einbauen.

Interessanterweise wird auch heute noch, beispielsweise im Rahmen von Diskussionen um Ressourcenknappheit und dem Klimawandel, prinzipiell mit Teilen der Maltus’schen Theorien argumentiert, jedoch ohne den Makel des Asozialen, dafür in einem sympathischen grünen Gewand. Heute ist es nicht mehr die Endlichkeit der Menge an Nahrungsmitteln, sondern die Umweltverträglichkeit und fehlende Nachhaltigkeit der modernen Lebensart, die die weitere Existenz der Menschheit in Frage stellt.

Ohne Frage sind die materiellen und ökologischen Ressourcen auf unserem Planeten aus heutiger Sicht endlich und werden irgendwann an ihre Grenzen stossen. Unendlich ist jedoch schon immer der menschliche Erfindungs- und Pioniergeist gewesen. Nur ein Beispiel: Ab 1970 lösten Tastentelefone die Wählscheibengeräte ab. Vor 40 Jahren konnte man erstmals in größerem Umfang mobil telefonieren – allerdings nur Zuhause. Dann eroberen Handys die Welt – mit Gesprächsgebühren, die exorbitant hoch waren. Erst 2010 wurde der Welt mit dem iPhone von Apple das erste wirkliche Smartphone vorgestellt und trotzdem eroberten Smartphones in nur wenigen Jahren den Planeten, selbst in seinen entlegensten Ecken. Heute kostet telefonieren kaum noch etwas, wie haben das Internet unterwegs mit dabei und selbst dort, wo es keines gibt, schafft das Satelliten-Internet von StarLink abhilfe.

Gleichwohl steht in jedem Jahrzehnt immer wieder die Angst im Raum: Könnte die Malthusianische Argumentation dieses Mal zutreffen? Oder lassen sich mit der ständigen Vermehrung des menschlichen Wissens und unserer technologischen Möglichkeiten die Erderwärmung steoppen udn zugleich ein weiteres Wachstum des menschlichen Wohlstands erreichen und die irdischer Ressourcen erhöhen? Ich jedenfalls wette auf die Erfindungskraft der Menschheit und lasse dystopische Zukunftsvisionen nicht zu. Was für mich spricht ist, dass „wir“ als Homo Sapiens bisher diese Wette immer wieder und neue gewonnen haben.

Geschrieben von und © 2018 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

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