NEBENBEI BEMERKT | Die merkwürdige Wolke über dem Mars-Vulkan Arsia Mons

Rainer W. Sauer arbeitet im Rahmen seines Verwaltungstrainings und Coachings und seiner GehirnmanagementLive-Veranstaltungen immer wieder mit Beispielen aus Naturwissenschaft und Technik. Seit 1968 interessiert er sich für Astronomie und die Erforschung des Weltraums, 1974 baute er sich selbst ein elekronisches Musikinstrument: einen Synthesizer. In der Rubrik „NEBENBEI BEMERKT“ geht es nicht um Verwaltungstraining oder -coaching sondern Sauer lässt seine LeserInnen hier an Themen aus technischen oder naturwissenschaftlichen Bereichen teilhaben, die ihn selbst interessieren.


In Momenten, wenn ich beruflich etwas weniger zu tun habe und auch die Familie nicht wirklich viele Aufgaben für mich hat, stöbere ich ein wenig im Internet oder der Fachliteratur, was es Neues aus dem Bereich der Astronomie oder Weltraumforschung gibt und da ist unser Nachbarplanet Mars immer noch für Überraschungen gut. Natürlich sind die Zeiten lange her, als man uns Menschen mit Berichten über kleine grüne Männchen vom Roten Planeten einen gehörigen Schrecken einjagen konnte – genauer gesagt: 2023 ist es 85 Jahre her, dass der US-Amerikaner Orson Wells mit einem Theaterensemble im Radio Panik über eine angebliche Invasion der Mars-Bewohner auf der Erde erzeugte.

Doch der Mars ist auch heute noch für manche Überraschung gut und so musste ich aufhorchen, als der spanische Forscher Jorge Hernández Bernal im Jahr 2018 eher zufällig auf den Fotos einer alten Überwachungskamera im Mars-Orbit etwas Seltsames entdeckte: eine extrem langgestreckte weiße Wolke, die sich bis zu 1.800 km westlich ausdehnt und ihren Ursprung im Umfeld des erloschenen Mars-Vulkans Arsia Mons hat. Weitere Untersuchungen ergaben, dass dieses Phänomen der sog. „Arsia Mons Elongated Cloud (AMEC)“ zyklisch auftritt, was u.a. mit Fotos der Raumsonden ESA Mars Express (siehe oben und unten), NASA MAVEN, Viking 2, MRO und ISRO Mars Orbiter Mission nachgewiesen werden konnte.

Mars-Wolke über dem Vulkan Arsia Mons. – Bildrechte: ESA

Irdische Forscher untersuchten die AMEC im Detail und stellten fest, dass die Wolke einen sehr schnellen Tageszyklus aufweist: Das Wolkenwachstum beginnt vor Sonnenaufgang am Westhang des Vulkans, gefolgt von einer Ausdehnung nach Westen rund zweieinhalb Stunden lang mit einer Geschwindigkeit von etwa 600 km/h in der Mesosphäre des Roten Planeten (= ca. 45 km Höhe). Die Wolkenbildung endet nach 2,5 Stunden, löst sich von ihrem Entstehungspunkt und bewegt sich weiter nach Westen, bis sie noch vor dem Nachmittag verdunstet. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Phänomen nahezu jährlich in einer Jahreszeit stattfindet, die für den allgemeinen Mangel an Wolken auf dem Mars bekannt ist.

Fakt ist, dass es auf unserem Nachbarplaneten keine Vulkanausbrüche mehr gibt; Arsia Mons war zuletzt vor rund 50 Mio. Jahren aktiv. Deshalb kann die Wolke keinesfalls die Folge von vulkanischer Aktivität sein, sondern es muss sich um ein meteorologisches Phänomen handeln. Auch von der Erde ist belegt, dass sog. Lee-Wolken durch stehende atmosphärische Wellen verursacht werden, wenn Luftschichten gezwungener Maßen von einem tiefen Punkt nach oben wandern. Hierbei kühlt sich die Luft ab und die Kondensation formt Wolken. Wichtiges Indiz ist, dass Lee-Wolken stets an die Landschaftsmerkmale, aus der sie gebildet wurden, gebunden sind und vermehrt im Windschatten eines landschaftlichen Gebildes, typischerweise eines Berges auftreten.

In Interpretation der Arsia Mons Elongated Cloud wird nach der Untersuchung mit Unterstützung mehrerer Instrumente von Orbitern, die den Mars umkreisen, das Folgende als sicher angenommen: die AMEC ist eine Wassereiswolke und wiederholt sich über mehrere Monate lang regelmäßig im Frühling und Sommer des Marsjahres auf der Südhalbkugel, so lange es keine Staubsturm-Aktivität auf dem Roten Planeten gibt. Dabei folgt die AMEC einem so raschen Tageszyklus, dass sie vor 2018 nicht auffällig war, was auch daran lag, dass aufgrund der Schattenbildung Beobachtungen der meisten Kameras, die in Orbitern den Mars umkreisen, nur am Nachmittag aktiviert wurden, während die AMEC-Wassereiswolke am frühen Morgen bis gegen Mittag stattfindet.

Geschrieben von und © 2021 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

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