„Vor großen Entscheidungen des Verhängnisses ergreift alle Menschen der Aberglaube.“ (Jean Paul)
Ich bin im Sternbild Schütze geboren und mein Aszendent ist Waage. Das ist ein wunderbarer Aszendent, wie mir die Astrologin Madame Cordula Cohr einst verriet, weil er mir die Möglichkeit gibt, Harmonie und Stimmigkeit zu finden und weiterzuverbreiten um anderen Menschen auf eine innige Art und Weise zu begegnen.
Sie gab mir mit auf den Weg, dass ich ein liebenswerter Mensch sei, der mit viel Takt und Respekt auf seine Mitmenschen zugeht. Mit meiner entgegenkommenden, freundlichen Art würde es mir stets gelingen, schnell Kontakt zu anderen Menschen zu finden, und ich wüsste sicherlich sofort, was meine Mitmenschen von mir wollten. Einerseits schätze man an mir mein friedliebendes und kompromissbereites Wesen, andererseits könnte es auch auch schon einmal vorkommen, für schmeichlerisch gehalten zu werden, wenn ich zu sehr auf andere eingehen und meine persönlichen Eigenart zu wenig zeigen würde.
Mein lebenslanges Streben sei es, so Frau Cohr, Liebe, Harmonie, Schönheitssinn, diplomatisches Geschick und Anpassungsfähigkeit in die Welt zu tragen, weil dies auch ein wesentlicher Teil meiner Persönlichkeit wäre. Sofort habe sie erkannt, dass mir die Kreativität angeboren sei und ich Geschmack, Stil und tolle Einfälle habe. Es gebe aber auch einen Nachteil, sagte sie mir: Alltagsroutine falle mir schwer. Am liebsten würden ich immer nur ein guter Mensch sein, der die Welt besser macht. Und zwar nicht nur äußerlich, sondern auch atmosphärisch. Abschließend erfuhr ich noch, dass mich als stetes Ziel umtreibt, harte Kontraste und kantige Widersprüche um mich herum nach Möglichkeit zu vermeiden. Unter Freunden, in der Ehe und der Familie oder unter meinen Kollegen würde ich allzeit versuchen, eine angenehme, heitere und entspannte Atmosphäre zu erzeugen. – Welche Sternzeichen wecken meinen Aszendenten und tun mir gut? Cordula Cohr verriet mir, dass dies Waage-, Wassermann- und Widdergeborene sind. Es war unglaublich: meine Frau und meine jüngste Tochter sind Wassermänner, die älteste Tochter Waage.
Es war allerdings eine „schwierige Geburt“, wie man so schön sagt, weil Madame Cordula anfangs meine Geburtszeit falsch verstanden hatte. Obwohl ich 4 Uhr erwähnt hatte, ging sie von 14 Uhr aus und das veränderte natürlich den Aszendenten, den sie zuerst als Widder ermittelte. Durch ihn, so meine Astrologin würde ich mit dem Element Feuer verbunden sein. Das bedeutet wiederum, dass er mir Wärme, Kraft, Tatendrang und Inspiration verleihen würde, was ich unbesehen bejahen konnte. Einen Haken hatte die Erstbestimmung des Aszendents Widder für mich als Schütze-Geborenen, verriet mir Frau Cohr. Mein Aszendent erwache erst, wenn er von mir gefordert werde. Je länger ein ereignisloser Zustand andauere, desto niedrigen brenne das Feuer, weshalb ich immer dafür sorgen müsse, dass in meinem Leben etwas Neues geschieht. Das sei der Grund, weshalb ich mir stets neue Herausforderungen suche würde, folgerte sie.
Was soll ich sagen: die Astrologin hatte mit ihren Feststellungen vollkommen recht. Nachdenklich wurde ich nur, als Cordula Cohr mir verriet, welche anderen Sternzeichen gut zu meinem Widder-Aszendenten passen würden: Widder, Löwe und Schütze. Das traf nun definitiv nicht auf meine kleine Familie zu. Daraufhin wollte Madame Cohr wissen, wann und um wieviel Uhr meine Frau geboren wäre. Das Geburtsdatum kannte ich, aber nicht die Zeit. „Ich bin ja um 4 Uhr geboren, aber bei meiner Frau weiß ich die Uhrzeit nicht“, sagte ich. Frau Cohr sah mich an, entschuldigte sich und fing von Neuem mit ihren Berechnungen an und am Ende war ich Aszendent Waage.
Menschen denken in Kategorien und Astrologen haben wohl das Bedürfnis, ihr Gegenüber nicht seelich zu verletzen. Was ja auch vollkommen legitim ist. Mein Beispiel hat mir gezeigt, dass man geschmeichelte Aussagen über sich und die eigene Persönlichkeit nur zu gerne glauben möchte, vor allem, wenn sie von einem Experten oder einer Expertin „vom Fach“ abgegeben werden. Wichtig ist es aber, sich von solchen Feststellungen und Lebens-Schubladen nicht limitieren zu lassen, sondern durch die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Person zu wachsen und sich seiner selbst, seiner Lebenseinstellung und Meinung, den Stärken und Schwächen, bewusst zu werden.
Geschrieben von und © 2020 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining