INITIATIVE UNTERSCHÄTZT (2) | Berlins Bürger haben mit einem klaren JA für die Enteignung von Wohnungskonzernen gestimmt

Die Einwohnerinnen und Einwohner unserer Hauptstadt haben sich im Rahmen eines Volksentscheids am Tag der Bundestagswahl 2021 mit einem klaren JA hinter das Anliegen der Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ gestellt. Und zwar so eindeutig, dass der neue Senat dies wohl kaum wird ignorieren können. [Lesen Sie HIER Teil 1 des Artikels!]


Dass es in Berlin mit dem Votum so weit gekommen ist, angesichts einer eher einer kleinen Gruppe von Aktivisten (deren Ziele meiner Meinung nach die Probleme noch verschärfen dürften, die sie zu lösen versprachen), liegt auch an der Stimmung, die entstanden war, als das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel, für unzulässig erklärte. So entstand die Idee des Enteignens, wobei konsequnet ignoriert wurde, dass während der Wirksamkeit des Mietendeckels die Höhe der Mieten zwar spürbar zurück ging, gleichzeitig jedoch das Angebot an freien Wohnungen so stark schrumpfte, dass die Suche nach Wohnalternativen in der Bundeshauptstadt nahezu aussichtslos wurde. Zudem brachen Aufträge an Bau- und Handwerksbetriebe ein, weil Hauseigentümer nur noch dringend notwendige Reparaturen durchführen ließen.

Essentiell für den Erfolg des Bürgervotums war aber das Unterschätzen des Bürgerprotests. Ähnlich wie damals in Stuttgart, als die Ignoranz der politisch Verantwortlichen sogar zur Abwahl der CDU-geführten Landesregierung unter MP Stefan Mappus führte, als Ende einer achtundfünfzigjährigen „schwarzen“ Regierungszeit in Baden-Würtemberg. Dabei stand anfangs nur der denkmalgeschützte alte Stuttgarter Bahnhof im Fokus des Interesses und die wenigen bürgerlichen Denkmalschützer wurden milde belächelt. Man verweigerte Ihnen das Recht auf Beteiligung („Sache der Deutschen Bahn“) und finanzielle Unterstützung aus dem städtischen Etat, um ihre Anliegen breiter formulieren zu können. DAs führte dazu, dass sich die Ur-Protestler gegen „Stuttgart 21“ missachtet fühlen und um ihr Recht kämpften, als besorgte Bürger ihrer Stadt wahrgenommen zu werden. Genau das führt mittelbar zu einem gesteigerten Interesse der Presse an der Angelegenheit und befeuerte die Breitenwirkung und den Zulauf zur Bewegung.

Doch die Verwaltungsspitze pokerte und dachte, man könne den Konflikt aussitzen. Einer der Gründe: die Protestler wurden als anonyme Quertreiber angesehen, die nicht viel Schaden anrichten können. Dabei waren es, so haben es Franz Walther und andere in Befragungen festgestellt, überwiegend Menschen mit beruflichen Karrieren und aus allen politischen Lagern, egal ob noch aktiv oder schon in Rente oder Pension, Menschen überwiegend mit Universitätsabschluss, mit Werten und Ansprüchen an Gesellschaft und öffentliche Verwaltung … und Vermögen. Ihnen kamen „Protest-Profis“ zur Seite, die sich Jahrzehnte zuvor in der Anti-Atom-Bewegung oder dem aktiven Umweltschutz erfolgreich „geschult“ hatten.

Für die Stuttgarter wie die Berliner Protestler bedeutet „Demokratischer Widerstand“ ein aus Zorn zusammengetriebenes Konglomerat von Werten wie „sozialer Frieden“, „Gerechtigkeit“ oder „die Achtung von Grund- wie Menschenrechten“. Hieraus legitimiert sich das Empfinden, dass „man“ sozusagen die vierte Gewalt im Staat sein kann, das Korrektiv. Wenn an diesem Punkt von Seiten der Verwaltung, wie in beiden Städten geschehen, die Pflicht zur Information (und sei es nur gegen Fake-News) sträflich vernachlässigt wird, stärkt man den Protest und wird dann, wenn – quasi um zu retten, was noch zu retten ist – von Seiten der Obrigkeit eine große Informationskampagne gegen den Protest Platz greit, von den Gegnern auch noch wegen Verschwendung von Steuergeldern angezählt. Oft starten diese Informationsoffensiven viel zu spät, um das Ruder der öffentlichen Meinung noch herrumreißen zu können: auf öffentlichen Verstanstaltungen konnten die Initiativen bereits ihre Positionen ausführlich darlegen und Presse, Funk und Fernsehen haben die Protestler bereits für ihr Nachrichten-Kern-Potential adoptiert.

Wohlgemerkt: Es gibt sie, die Beispiele von skupellosen Vermietern und Spekulanten und die von Mieterinnen und Mieter, die jeden Monat mühevoll das Geld für die Miete aufbringen müssen. Doch die Idee, eine Enteignung von Wohnungskonzernen erlaube es dem Berliner Senat, Wohnraum besser verwalten zu können als Immobilienriesen dies machen, noch dazu in Zeiten leerer Kassen, bleibt eine Utopie. Und wenn sich der Staub des Jubels über das an der Spree Erreichte verzogen haben wird, geht in der geilen aber insolventen Metropole nur noch um eines: das Verteilen des nicht vorhandenen Geldes.

Geschrieben von und © 2021 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

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