„Ich glaube, ich bin verträglicher als oft geschildert – auch wenn ich sehr unverträglich mit Menschen bin, die in hohen Positionen nicht das erbringen, wofür sie bezahlt werden.“ (Ferdinand Piëch, Vorstandsvorsitzender VW von 1993 bis 2002)
Vorbemerkung: Im Mittelpunkt beim Coaching stehen Klienten mit ihren Wünschen. Oft gibt es Einzelcoachings, aber das muss nicht die Regel sein, denn immer wieder stehen in der Verwltung auch Teams vor eigenen Grenzen und brauchen I.M.P.U.L.S.E durch einen Coach oder Coaches, um zu erkennen, wie diese Grenzen überschritten werden könnten. Ein Coach arbeitet nicht nach strengen Mustern oder Methoden, sondern bringt in sein Coaching gleichermaßen Intuition, Wissen und Lösungsoptionen ein. Dabei ist es wichtig, dass sich der Coach sorgfältig auf sein/e Gegenüber vorbereitet. Nur so vergeudet er / sie nicht die Zeit des Klienten und kann manchmal sogar durch Sprint-Coaching innerhalb nur einer Sitzung zu einem konstruktiven Ergebnis kommen.
An den Anfang möchte ich die Frage stellen: „Wer oder was ist ein Leitender?“. Die einfachste Definition ist wohl die, dass es eine Führungskraft ist, die von immer mehr Dingen immer weniger versteht. Damit meine ich, dass diese Führungskraft verantwortlich zeichnet für Maßnahmen, deren fachlich-technischen Bedingungen er /sie (mit Ausnahme seines Spezialgebietes) selbst nicht voll beurteilen kann. Dies scheint mir die Normalität in Verwaltungen zu sein, vor allem von großen Verwaltungen mit vielfältigen und differenzierten Aufgaben.
Im Zusammenwirken von verschiedenen Führungskräften mit unterschiedlichen Befugnissen ist eine weitere Entwicklung erkennbar: Die Frustration der Spezialisten, über die mir ein Beigeordneter berichtete. Er hatte einen Leitenden, der die Selbständigkeit des Beigeordneten achtete und es ihm nicht verübelte, wenn dieser auch einen Vorschlag einzubringen hatte. Der Leitende wußte, daß er von seinen (vielen) Dingen weniger Details verstand als seine Mitarbeiter und sagte am Ende der Besprechungen jeweils: „Ich bin gespannt darauf, wie die Entscheidung fällt. Sie informieren mich bitte darüber“, was der Dezernent auch tat. Der Nachfolger des Leitenden verhielt sich vollkommen anders. Er war zuvor Stadtplaner und schaltete sich immer wieder konstruktiv in die Entscheidungsfindung des Beigeordneten ein. Allerdings war er auch schwer verärgert, wenn ein Vorschlag abgelehnt wurde; er war der Meinung er verstünde von der Sache mehr als seine Mitarbeiter und mehr als der Beigeordnete. Abgesehen daß dieses Verhalten viel Zeit kostete, war das ganze Klima im betreffenden Verwaltungsteil auf Dauer angespannt und es bildeten sich mit der Zeit zwei Lager. Immer öfter wurden Diskussionen von dem mit mehr Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Beigeordneten mit dem Satz „…Ihre Fachkenntnisse in allen Ehren, aber mein gesunder Menschenverstand sagt mir, daß Sie auf dem falschen Weg sind…“. Dies führte dann zu noch größerem Frust des Leitenden. Traten dann aber doch Probleme mit den Entscheidungen des Beigeordneten auf, dann sagte der Leitende zum Beigeordneten nur: „Da müssen Sie schon allein durch; hier mische ich mich nicht mehr ein.“.
Eine Bewertung, wer denn letztendlich im Recht ist, scheint schwierig und interessiert im übrigen hier auch wenig. Wichtiger scheint mir die Tatsache, daß sich Leitende oft genug untereinander regelrecht bekämpfen und daß Mitarbeiter darunter zu leiden haben. Gerade weil die Beratung eines Leitenden durch einen Mitarbeiter aufgrund des im Kapitel II bereits geschilderten Gewaltverhältnisses in der Verwaltung mit einer schweren Hypothek belastet ist. Goethe hat es, zu seiner Zeit als höchster Verwaltungschef in Weimar, einmal so ausgedrückt: „Ein Vorgesetzter erlaubt wohl, daß man ihm hilft; daß man ihn aber übertrifft niemals.“. Und dies gilt auch heute noch und es gilt selbstverständlich in der neuen Verwaltung. Im Rahmen des Kooperativen Führungsstiles ist es die Pflicht eines Mitarbeiters, wie eines Leitenden, einen Vorgesetzten zu beraten. Und ein Vorgesetzter oder Leitender hat die Pflicht diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies entspannt das Arbeitsverhältnis in der Verwaltung. Fatale Folgen gibt es immer dann, wenn: a) eine Beratung/Hilfe vorenthalten wird, b) eine Beratung/Hilfe kategorisch abgelehnt wird, c) der Beratende den zu Beratenden übertrumpfen will oder er ihn d) mit seinem Wissen bloßstellt. Klar muß weiterhin sein, daß eine Beratung nichts an den Entscheidungsbefugnissen des Beraters oder des zu Beratenden ändert.
Ein Leitender hat Vorbild zu sein und alles was ein Mitarbeiter bei einem Leitenden sieht, verändert in irgendeiner Weise dessen Verhalten. Ein weiteres Beispiel soll zeigen, wie ein Verstoß gegen die eben genannten Regeln die Zusammenarbeit zwischen Leitenden und Mitarbeitern bis zur Trennung eskalieren lassen können. Ein Kollege berichtete mir:
„Ich kam in eine andere Abteilung. Dort fielen mir nach kurzer Zeit schon einige Verbesserungsvorschläge im Bezug auf unsere Arbeit ein und ich übersandte sie meinem Vorgesetzten. Ich war gespannt, wann und wie er sich bei mir hierzu äußern würde.
Er ließ mich rufen und fragte: ‚Wie lange sind Sie denn nun schon in unserer Behörde?‘ ‚Sechs Monate‘, antwortete ich. `Und seit wann gibt es unsere Abteilung?‘ ‚Ich glaube, seit 30 Jahren.‘ ‚Seit über 30 Jahren‘, korrigierte er mich, ‚und Sie denken, daß Sie die Dinge in sechs Monaten besser beurteilen können als ich und meine Vorgänger mit unserer Erfahrung von über 30 Jahren?‘
Dieses Verhalten meines Vorgesetzten hat mich so verletzt, daß ich nicht mehr nachfragte und für die nächsten Jahre keine Verbesserungsvorschläge mehr an meinen Vorgesetzten gab.“
Eine solche Entwicklung ist mehr als traurig, denn gerade junge und neue Mitarbeiter können sprudelnde Ideenquellen sein, denn nur sie betrachten die Dinge mit ungewohntem Blick, erkennen Verbesserungschancen und sind nicht „blind“ für den Verwaltungsalltag. Diese Fähigkeiten gehen allerdings dann schnell verloren, wenn Leitende in der genannten Form hierauf verzichten. Dann nehmen diese jungen Mitarbeiter bald alles, genauso wie die ‚alten‘ Mitarbeiter, als gegeben und unveränderlich hin. Das ist jedoch nicht der einzige Schaden. Einer amerikanischen Studie zufolge zeigen Mitarbeiter, deren Ideen in frühen Berufsjahren abgeschmettert werden, auch später wenig Neigung, mitzudenken und somit zu lernen.
Zunächst einmal ist klar, daß Mitarbeiter prinzipiell nicht dümmer, weniger kreativ oder schlechter ausgebildet sind als Leitende. Es gibt aber tatsächlich Leitende, die dies beschwören mögen. Wenn dem dann faktisch so ist, dann schöpfen die Leitenden ein vergleichbares Kreativitätspotential nur aufgrund ihrer Befugnisse in der Verwaltungshierarchie weit effektiver aus als die Mit-arbeiter. Diese falsche Einstellung von Leitenden zeigt besonders dann Auswirkungen, wenn es darum geht, Mitarbeitern bestimmte Leitungsgrundsätze, z. B. für Vertretungsfälle, zu vermitteln. Währenddem in Deutschland Leitende fast eifersüchtig darauf achten, daß wichtige Entscheidungen nur von ihnen vorbereitet und getroffen werden, erwartet z. B. ein Leitender in Japan, daß jeder seiner Mitarbeiter zu jeder Zeit zu jedem Problem mitdenkt und Verbesserungsvorschläge einzubringen imstande ist. Dahinter steht die Grundüberzeugung, daß jeder Prozeß und jedes Produkt immer verbesserbar sind. Bei Verbesserungen wiederum gibt es kein Ende der Fahnenstange. Verbunden damit glauben die Japaner an die Innovation der kleinen Schritte, währenddem in Deutschland fast überall noch eine Führung von oben die Innovation der kleinen Schritte im Keim erstickt. Dabei bringen Mitarbeitervorschläge selten den großen Durchbruch, die Jahrhundertidee. Aber viele individuelle Ideen von vielen Mitarbeitern machen oft die große Verbesserung aus.
Derartige Grundüberzeugungen sind in Asien bei Leitenden und Mitarbeitern verinnerlicht und bestimmen das tägliche Verhalten zu Veränderungen und seien diese noch so klein. In der deutschen Verwaltung hingegen interpretieren viele Leitende Verbesserungsvorschläge von Mitarbeitern als implizierte Kritik an der bisher von ihnen geübten Praxis. Zusätzlich ist die Furcht vor der Frage, wieso sie denn nicht selbst auf die Idee kamen, ebenfalls weit verbreitet. Innovation und Veränderung sehen viele Leitende als eine ständige Bedrohung an. Es ist daher nicht falsch, in Leitenden die erste mögliche Barriere gegen die volle Ausschöpfung der Mitarbeiterkreativität zu sehen.
Zuguterletzt muß Mitarbeiterkreativität gefördert und organisiert werden. Das betriebliche Vorschlagwesen der deutschen Art, etwa mit Einbeziehung des Betriebsrates, Formularen, lustigen Stichworten, festgelegten Prozessen ist der Inbegriff der Antikreativität. Wenn man den freien Fluß und die schnelle Realisierung der Ideen verhindern wollte, dann müßte man sie einem solch bürokratisierten System aussetzen. Erfolgversprechender ist da vor allem die Aktivierung von Gruppen in Form von Qualitätszirkeln und Workshops. Denn die Kreativität des Einzelnen multipliziert sich in der Zusammenarbeit mit Anderen, die in ihrer Arbeit den gleichen Problemen ausgesetzt sind, zu synergetischen Ergebnissen. Untersuchungen haben zudem gezeigt, daß es den Mitarbeitern beim Vorbringen ihrer Verbesserungsvorschläge auch nicht primär auf die finanziellen Zuwendungen pro Verbesserungsvorschlag ankommt. Vielmehr motiviert vor allem die, durch den Verbesserungsvorschlag, eingesparte Arbeitszeit und -menge. Dennoch sollte man auf finanzielle Anreize nicht verzichten. Prof. Hermann Simon von der Joh.-Guthenberg-Universität in Mainz sagt im MANAGER-MAGAZIN 2/93: „Wir alle sind stets auf der Suche nach dem Stein der Weisen. Suchen Sie ihn nicht vergeblich in den Guru-Schlagwörtern des Tages oder den jeweils aktuellen Patentrezepten in Büchern. Der Stein der Weisen liegt, wenn es ihn denn gibt, in den Köpfen der Mitarbeiter“.
Nutzen Sie also gerade die neuen und jungen Mitarbeiter, um ungewöhnliche Ideen zu produzieren und zu provozieren. Sie erhalten auf diese einfache Weise eine kurzfristige Steigerung der Produktivität des einzelnen Mitarbeiters und langfristig das kreative Mitdenken. Denn Mitdenker, statt „Nur-Mitarbeiter“, das ist es, was eine neue Verwaltung braucht. Gerade im Kommunalbereich ist die Verwaltungsarbeit heute so komplex und schwierig, das Überleben einer Kommune ständig gefährdet, das Umfeld dauernden Änderungen unterworfen und somit unvorhersehbar, daß dauerhafter Erfolg die allseitige Mobilisierung der ganzen Intelligenz jedes einzelnen Mitarbeiters in der Verwaltung erfordert.
„Warum“, so könnte man nun trotzdem noch fragen, „sollen Mitarbeiter mehr und bessere Ideen haben als ihre Leitenden?“ Hierfür gibt es einen ganz einfachen Grund: Weil sie mit ihrer speziellen Arbeit besser vertraut sind, alle Details kennen und unter schlechten Arbeitsabläufen leiden. Eine Barriere gibt es oft bei den Arbeitnehmern selbst. Oft hört man, daß man Ideen zu Verbesserungen habe, diese aber nicht vorbringen will. „Das ist schließlich nicht mein Job“ oder „Dafür werden Andere bezahlt“, lauten die Erklärungen. Offensichtlich steckt hinter solchen Haltungen ein tiefsitzendes Identifikations- und Motivationsdefizit. Nur Mitarbeiter, die sich ganz mit ihrer Verwaltung bzw. ihrem Teil der Verwaltung identifizieren, setzen ihren Grips voll ein. Die Freilegung des Kreativitätspotentials fordert unabdingbar den direkten Weg über die Motivation.
Doch wie sieht es mit diesem Führungsstil aus, wenn eine Dienststelle oder ein Verwaltungsschiff ins Schlingern gerät; personelle und finanzielle Probleme hat. Verändert sich dann der ethische Anspruch an den Führungsstil?
Um bei dem Beispiel ‚Schiff‘ zu bleiben; in meiner Verwandschaft gab es einen Kapitän und der pflegte auf diese Frage recht einfach zu antworten: „Kapitäne werden im Sturm einen noch härteren Kurs fahren, von ihrer Mannschaft das letzte verlangen und doch erwarten, daß einige ihrer Leute im Sturm über Bord gehen.“. Daß daran eine Mannschaft zerbrechen kann, dürfte sogar ihm klar gewesen sein; „…aber vielleicht…“, sagte er, „…vielleicht läßt sich damit ja trotzdem noch der rettende Hafen erreichen.“- Doch ich war und bin überzeugt davon, daß die meisten am Ende untergehen würden. Und trotzdem scheint es, als ob härtere Zeiten tatsächlich einen härteren Typ des Leitenden auf den Plan rufen würden.
„In schlechten Zeiten sollte der Leitende deutlich bescheidener in seinen Forderungen sein, älter und asketischer.“ – eben ein Kapitän für stürmische See. Dies ergab eine Studie der Unternehmensberatung Deininger aus Frankfurt am Main, die eine Befragung von 623 Top-Managern aus Wirtschaft und Verwaltung im Jahre 1992 wiederspiegelt.
Offensichtlich wird in wirtschaftlich schwierigen Jahren einem Leitenden in Wirtschaft wie Verwaltung auch verziehen, daß er im Umgang mit seinen Mitarbeitern weniger auf Kooperation und Konsens setzt sowie ihnen nicht mehr nur Zielvorgaben für ihre Aufgaben macht sondern oft kurzfristige Ergebnisse und Erfolge sehen will. Ein autoritärer Führungstil, in sorglosen Jahren durchaus ein Grund durch das Qualifikationsraster zu fallen, gewinnt in schlechten Zeiten stark an Akzeptanz. Dies ist nicht zuletzt bei diversen Automobilherstellern festzustellen, die heute auf die ‚harten Hände‘ als ‚heilende Hände‘ vertrauen.
Auch ältere Leitende, bislang oft von jungen, dynamischen Bewerbern verdrängt, kommen wieder zum Zuge. Denn wo operative, schnelle Feuerwehreinsätze gefragt sind, verliert auch die Fähigkeit zum langfristigen und betriebs- wie mitarbeiterorientierten Denken seine Bedeutung. „In der Rezession scheint Ethik eine Kostenfrage zu sein“, resümieren die Frankfurter Berater. Daß dieses Hin- und Herspringen zwischen den einzelnen Führungsstrategien zu fatalen Endergebnissen führen wird, verstehe sich von selbst. Ausnahmen bestätigten dies. So sei in einzelnen Bereichen des Handels, der Chemie- und der Elektronikbranche das Beibehalten eines mitarbeiterorientierten Führungsstils mit überraschend großen Erfolgen gegenüber den Mitbewerbern verbunden gewesen, die auf den ’neuen ‚ harten Stil gesetzt hätten. Nicht weiter verwunderlich ist hingegen, daß die persönliche Flexibilität, eine auch an Sonnentagen geschätzte Führungseigenschaft, an Regentagen eine zusätzliche Wertschätzung bekommt.
Als Fazit der Studie ‚ANFORDERUNGEN AN FÜHRUNGSKRÄFTE FÜR SONNEN- UND FÜR REGENTAGE‘ der Deininger-Unternehmensberatung ist festzuhalten, daß in schlechten Zeiten die Bereitschaft einen harten Führungsstil zu ‚fahren‘ deutlich stärker ausgeprägt ist, als es Erfahrungen und Erkenntnisse eigentlich zulassen dürften. Autoritäre Leitende, von denen man sich sonst eher trennen würde, bekommen in Zeiten der Rezession nicht nur ihre Chance – sie werden fast schon zum Standart für eine Bewältigung der Krise. Und dies ohne, daß sich wirklich belegen ließe, daß dann tatsächlich wegen des harten Führungsstils bald wieder schwarze oder zumindest nicht alszu rote Zahlen geschrieben werden können.
Und eines sollte man auch in schlechten Zeiten nie vergessen: „Die Kunst des Leitens besteht darin, gewöhnliche Menschen zu ungewöhnlichen Leistungen zu befähigen!“, so Prof. Dr. Fredmund Malik von der Hochschule St. Gallen. Die Entscheidung ob in der Verwaltung Peitsche oder Zuckerbrot Verwendung finden sollten, muß jeder Leitende selbst entscheiden.
Geschrieben von und © 1994 – 2021 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining