„Wenn der Berufswunsch im Studium ist, Beamter im öffentlichen Dienst zu werden, ist was falsch.“ (Armin Laschet)
Hört man auf die landläufige Meinung, dann sind es „die Beamten“ (m/w/d), die innerhalb der öffentlichen Verwaltung nicht die Leistung bringen, die man von ihnen erwartet. Interessanterweise werden von manchen Bürgern fast durchgängig alle Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung mit Beamten gleichgesetzt. Tatsächlich ist es so: Im Bundes- wie und Landesdienst findet man die höchste Quote an Beamten, in den Kommunalverwaltungen tut man sich dagegen schwer mit der im Grundgesetz geforderten Übertragung von hoheitlichen Aufgaben „in der Regel“ auf Beamte. Und auch wenn es um Verbeamtungen von Angestellten geht, stellen sich vor allem Kommunan quer und mahnen für ihre Gemeinde die Ausnahme von der Regel an – im Osten Deutschlands umso mehr, denn hier sind in den Verwaltungen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt prozentual weit weniger Beamte in Diensten als in den alten Bundesländer. Aber halten wir fest: wenn viele Bürger von Beamten reden, meinen sie damit faktisch (auch) die Angestellten.
Hier sind bereits zwei Kernpunkte der Diskussion um das Berufsbeamtentum in Deutschland erkennbar. „Wer ist fleißiger: …“ und „Wer kostet die Verwaltungen mehr: Angestellte oder Beamte?“; dies ist Tenor, der seit Jahrzehnten aktuellen Überlegungen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di beispielsweise erklärt immer wieder, sie könne nachweisen, daß Angestellte die öffentliche Verwaltung billiger kommen als Beamte. Dagegen hält der Deutsche Beamtenbund, der ebenso regelmäßig auf das genaue Gegenteil hinweist. Für mich hört sich das rso an, als ob die Fleischereiinnung verkündet, wie gesund es sei, Fleisch zu essen, wobei ProVeg Deutschland (zuvor: Vegetarierbund) entgegen hält, dass pflanzliche Ernährung die absolut gesündeste sei. – Wieso ist dem so?
Bei den Berechnungen Pro-Beamte werden die Wartezeiten vor Erreichung des nächsten Amtes berücksichtigt und die finanziellen Einsparungen vor Erreichen des Ruhestandes aufgerechnet, währenddem die Aufwendungen nach dem Erreichen des Ruhestandes und die Hinterbliebenenversorgung sowie das frühe durchschnittliche Pensionsalter der Beamten den Ausschlag für die Contra-Seite gibt. Zumindest das letztere Argument ist ungeeignet zu einem fairen Vergleich zwischen Angestellten und Beamten, denn anders als bei den Angestellten sind bei den Beamten viele Personengruppen vertreten, die Berufe ausüben, welche für eine Frühpension prädistiniert sind, wie: Soldaten, Feuerwehrleute, Polizisten und Lehrer.
Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen jeweils eine Beschäftigung von Angestellten oder Beamten zu finanzwirtschaftlich günstigeren Ergebnissen führen würde, hat zum Beispiel das vom Hamburger Senat beauftragte HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung als Antwort parat: Da man in Hamburg auf das Besoldungsrecht nur wenig Einfluß habe, könne man Kosten am besten durch seltenere Beförderungen der Beamten beeinflussen, weil die Höhe der Versorgungsleistungen maßgeblich von der Endbezahlung abhängig sei. Gleichgeartete Argumente hört man öfter, etwa wenn es um die Frage der Sonderopfer von Beamten geht oder ob, wie und vor allem mit welcem Zeitverzug man für die Angestellten im öffentlichen Dienst ausgehandelte Tariferhöhungen an Beamte weitergeben soll. Paradoxum: Gerade weil ein Beamter / eine Beamtin zwar laut Gesetz nicht „Dienst nach Vorschrift“ machen sollen, sondern seine / ihre Fähigkeiten und die volle Arbeitskraft in das Beamtenverhältnis einzubringen hat, glauben viele Bürger und Politiker das Gegenteil festzustellen und man vermutet, dass man Beamte vom Prinzip her nicht zum Arbeiten zwingen könne.
Diese Sicht der Dinge teilen Beamte in der Regel nicht und in allen Bereichen der Verwaltung sind sie ebenso große Leistungsträger wie Angestellte. In einem früheren Blogartikel hatte ich aber auch das neue Leistungsprinzip in der Verwaltung angesprochen und meinte, dass sich Leistung wieder lohnen müsse. 1993 plädierte der damalige sächsische Umweltminister Arnold Vaatz dafür, Leistungsprämien im öffentlichen Dienst einzuführen. Vaatz ging aber noch weiter und benannte „die behäbigen Beamten“ als die Hauptschuldigen an der Misere der öffentlichen Verwaltung. Die aus der Unkündbarkeit von Beamten herrührende „Verkrustung“ der Strukturen der Verwaltung sei, seiner Meinung nach, „das Hauptübel beim Umbau der Verwaltung.“ Wer leistungswillig, risikofreudig und kreativ arbeite, brauche kein Beamtenverhältnis, so Vaatz. Mehr als ein Vierteljahrhundert später schlug CDU-Chef Armin Laschet in die gleiche Kerbe.
Man müßte annehmen, mit populistischer Beamtenschelte könnten in der Verwaltung keine Probleme gelöst werden. Doch weit gefehlt. Vehement wird immer dann eine Reform des Beamtenrechts gefordert, wenn die Sprache auf die Kosten kommt. Einmal davon abgesehen, dass dies von der allgemeinen Verschuldungsmanie der Länder ablenkt, lassen sich die Tätigkeiten der Beamten nicht auf Kostenfaktoren reduzieren – selbstredend ebensowenig wie die von Angestellten. Wenn Laschet und Co. auf DIE Beamten schimpfen, so verkennen sie dabei, dass in den Kernbereichen von Polizei, Justiz und Steuerverwaltung ohne Beamten nichts „geht“, wie man so schön sagt. Hoheitsaufgaben müssen nach den Gesetzen von Beamten wahrgenommen werden. Deshalb muss nicht jeder Mitarbeiter in der kommunalen Verwaltung ein Beamter sein und wahrscheinlich gibt es sogar tatsächlich zu viele Beamtinnen und Beamte.
Was unterscheidet denn nun Beamte von Angestellten, wo gibt es die sog. Privilegien für beamte? Die Fakten: Zum einen erreicht der Beamte relativ schnell seine Unkündbarkeit. Mit 27 Jahren, eine entsprechende Eignung vorausgesetzt, wird er / sie auf Lebenszeit Beamter / Beamtin. Eine Entfernung aus dem Dienst anschließend nur noch möglich, wenn sich Beamte strafrechtlich etwas zuschulden kommen lassen haben. Wird sie / er vor- bzw. frühzeitig pensioniert (Bundeswehr) oder in der Mitte des Lebens dienstunfähig (Polizei), dann ist ein Beamter weitaus besser abgesichert als ein gleich eingestufter Angestellter. Dafür wird er anfangs nicht nach seiner Tätigkeit bezahlt, sondern nach dem ihm verliehenen – oft im Vergleich niedriger dotierten – Amt. Durch Beförderung kann er aber in mehrjährigen Abständen bis zum sog. Endamt seiner Laufbahn aufsteigen, wenn er geeignet ist und auf einer entsprechend bewerteten Stelle sitzt.
Der Beamte verdient bei einer mit einem Angestellten vergleichbaren Einstufung netto mehr als der Angestellte, denn er muss keine Sozialabgaben entrichten. Dafür hat er sich aber privat freiwillig krankenzuversichern, will er nicht die hohen Kosten z.B. von Operationen als Selbstanteil privat tragen. Und beamte dürfen im Falle eines Streiks im öffentlichen Dienst nicht mitstreiken, sondern müssen dann genaudas tun, was ihnen ihr Dienstherr befiehlt – notfalls auch den Streik brechen. Ebenso können Beamtinnen und Beamte sich keine Gehaltserhöhung erkämpfen, denn erstens werden sie von ihrem Dienstherrn besoldet, zweitens stehen sie in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis. Ein Privileg bleibt den Beamten dennoch: Man kann ihnen niemals aus betriebsbedingten Gründen kündigen.
So beantwortet sich die Kernfrage „Wozu braucht man in der öffentlichen Verwaltung überhaupt Beamte?“ ganz einfach: Um die Tätigkeiten wahrzunehmen, die laut Gesetz von Beamten (also: Staatsdienern) wahrgenommen werden müssen.
Geschrieben von und © 1993 – 2021 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining