„Das Schlimmste am Burn-out war die Erfahrung von Ohnmacht, wenn Körper und Seele vor lauter Erschöpfung nicht mehr das tun, was ich mir wünsche. Ich habe ein halbes Jahr komplett ausgesetzt, um Abstand zu gewinnen von diesem Zustand nahe der Depression.“ (Nico Hofmann)
Selbst die führenden Experten gingen lange davon aus, ein Burnout sei lediglich die Folge von Überarbeitung. Inzwischen ist dieses Bild der Erkenntnis gewichen, dass die verschiedensten Gründe den Erschöpfungszustand auslösen können, den Menschen als „Ausgebranntheit“ empfinden. Dr. Mirriam Prieß gilt als eine der führenden Burn-Out-ExpertInnen hierzulande und hat mit ihrem Buch „Burnout kommt nicht nur von Stress (Warum wir wirklich ausbrennen – und wie wir zu uns selbst zurückfinden)“ einen der Burnout-Bestseller des letzten Jahrzehnts geschrieben. Das Werk liegt inzwischen als komplett überarbeitete Neuausgabe vor und wurde von der Autorin zudem auf den aktuellsten Stand der Forschung gebracht.
Der neuartige Ansatz von Mirriam Prieß geht von einem ganzheitlichen Verständnis des Phänomens Burnout aus. Für sie ist es weit mehr als ein Ausdruck von Überforderung. Es sei die Aufforderung zu einem wesensgemäßen und authentischen Leben, ein Weckruf, nicht mehr nur im Außen nach Richtlinien für unsere Gesundheit zu suchen, sondern uns selbst zu fragen, was wir wirklich brauchen, sagt sie. Erst wenn wir erkennen würden, dass es kein gesundes Leben in einem Falschen geben könne und herausfinden, was das „richtige Leben“ für uns persönlich bedeutet, erst dann hätten wir eine wirkliche Chance auf langfristige Gesundheit, so die Autorin.
Das „Ausgebranntsein“ sei nämlich kein Ausdruck von persönlicher Schwäche, sagt Prieß und zeigt sich überzeugt davon, dass es der gesunde Selbstregulationsversuch eines Menschen ist, der ein Leben lebt, das seiner Identität nicht entspricht. Basierend auf langjähriger Behandlungserfahrung mit Burnout-Patienten erklärt die Ärztin und Psychotherapeutin in ihrem Werk bisher noch nicht dagewesene Zusammenhänge dieser Volkskrankheit, die aus ihrer SIcht deutlich machen, weshalb die Erkrankungsrate weiter zunehme, wieso viele Betroffene sich nicht mehr erholen würden und warum so viele Behandlungen scheitern. Das aber müsse nicht sein, so die Autorin, denn wenn bestimmte Mechanismen verstanden werden und ein Umdenken von Umfeld und Betroffenen stattfindet, könne jeder an Burnout erkrankte Mensch gesunden und leistungsfähig bleiben oder wieder werden. Jedenfalls, sofern man bereit sei, anzuerkennen, dass es ein „Perfektsein in jeder Lebenslage“ nicht gibt. Lebt man jedoch diesen Anspruch an sich selbst, gerät man schnell in eine Spirale aus Leistungsdruck und Überforderung.
Eine von mir angewandte Anti-Burnout-Strategie (ABS) ist der asiatische Weg zu mehr Gelassenheit: Wabi Sabi. Im Land der aufgehenden Sonne gibt es viele tiefe und sinnvolle Konzepte, die Teil der japanischen Kultur sind. Die Traditionen des Landes kreisen um verschiedene Formen der Philosophie, wobei Wabi Sabi für die Ansicht oder den Gedanken steht, Schönheit in jedem Aspekt der Unvollkommenheit der Natur zu finden. Es geht hierbei um das, was als “unvollkommen, unbeständig und unvollständig” bekannt sind und ist im Wesentlichen eine persönliche Einstellung, die sich aus der buddhistischen Lehre von Leiden und Vergänglichkeit ableitet. Um im Reinen mit sich selbst zu sein, gilt es, nicht steriler Perfektion nachzujagen, sondern den Augenblick wertzuschätzen und die Schönheit des Unvollkommenen zu erkennen.
„Wabi“ steht hierbei ebenso für Vergänglichkeit und Unvollkommenheit wie für Einfachheit, während „Sabi“ die Wirkung der Zeit auf eine Substanz, ein beliebiges Objekt oder das menschliche Leben repräsentiert. Die beiden getrennten Teile ergänzen und befruchten sich gegenseitig und spenden sowohl Trost in Reinheit und einem Leben, das sich von materialistischen Obsessionen der Welt löst, achten aber ebenso Einfachheit in ihrer wahrhaftigsten Form. Perfektion passt deshalb nicht in das Wabi Sabi Denkschema. Eher schon Kintsugi, also das Wiederherstellen vom Gefäßen, die im Grunde zerstört sind, anstelle sie zu entsorgen. Es ist etwas, das wir alle versuchen sollten, Teil unseres Lebens werden zu lassen, durch Achtsamkeit, Gelassenheit, dem Blick in unsere Umwelt mit weit offenen Augen, vielleit der Einführung von Routine, wie dem Teegenuss. All das hilft auch als Anti-Burnout-Strategie.
Geschrieben und © 2021 von Rainer W. Sauer für CBQ Verwaltungstraining & BRAIN.EVENTS