WANN GIBT ES ENDLICH „DIE NEUE VERWALTUNG“ (…und wie wird sie aussehen)?

„Es gibt, wenn man es sachlich betrachtet, niemals falsche Entscheidungen. Es gibt nur Konsequenzen.“ (Rainer W. Sauer)

„Ich will Ihnen mal was erzählen … und das nun schon seit Jahren.“ – Durch den CBQ-Blog habe ich Ihnen Einblicke in neue Formen der Verwal­tung gegeben – was ich natürlich auch in Zukunft machen werde – und ich hoffe, dass Sie in dem einen oder anderen Blogartikel einiges davon erkannt haben, wie auch Ihre Verwaltung aussehen könnte. Es liegt nun ganz an Ihnen, wie Sie die Chancen nutzen, die Ihnen und Ihrer Verwaltung die Zukunft bietet.

Dass das öffentliche Dienstrecht die Leistungsfähigkeit und -breitschaft der Verwaltung immer noch eher behindert als fördert, dass ein träger Verwaltungsapparat nicht nur teuer ist sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit mit der Wirtschaft behindern kann, dies wurde schon oft diskutiert und ausgiebig debattiert, ohne dass sich hieran bislang viel grundlegend ge­ändert hätte. Den Politikern fehlt und fehlte bislang der Mut, dass größte Hemmnis beim Umbau derVerwaltung anzupacken: das öffentliche Dienstrecht. In den letzten Monaten häuften sich aber die Initiativen und Vorstöße der einzelnen Landes­regierungen über Parteigrenzen hinweg, allen voran Bayern, Schleswig-Hol­stein und das Saarland, um in den nächsten Jahren eine Änderung des Dienst­rechtes zu erreichen. Hier wird also eine grundlegende Änderung in naher Zukunft wahrscheinlich. Also muß jetzt auch schnellst möglich der Umbau des Verwaltungsapparates angegangen werden. Längst ist die derzeitige Bü­rokratie in deutschen Verwaltungen zu einem Bremsklotz der Wirtschaftsent­wicklung geworden. Während die Unternehmer versuchen, ihre Innovations­zeiten zu verkürzen, müssen sie gleichzeitig immer länger auf staatliche Geh­nehmigungen warten. Gleichzeitig wächst auch bei den Bürgern der Unmut über die staatlichen Leistungen, etwa dann, wenn die Polizei die Verbrechens­bekämpfung kleinerer Delikte wegen Arbeitsüberlastung einstellt aber trotz­dem die Plaketten der Abgassonderuntersuchung zu kontrollieren hat. Dafür müssen sich die Meldeämter akribisch ihren Vorschriften widmen und akzep­tieren z.B. Ummeldungen nicht, weil der Berliner Vordruck in Hamburg nicht akzeptiert wird. Ein eklatantes Versagen der Politiker, die solche Vorschriften erlassen haben.

Auch die Mitarbeiter in den Verwaltungen drängen darauf, daß sich etwas tut. Bei ihnen hat sich viel frust angestaut; vor allem nervt das miese Image des Arbeitgebers „Verwaltung“. Eine Kienbaum-Studie zum Krankenstand in der öffentlichen Verwaltung hat ergeben, daß dieser je nachdem wieviel Verant­wortung dem einzelnen Mitarbeiter übertragen wurde schwankt. Wer wenig Verantwortung hat wurde wesentlich öfter krank als derjenige, der zumindest einen Sinn im Zusammenspiel von sich und in seiner Arbeit sah. Gerade hier läßt sich also die Effizienz der Verwaltung nachhaltig steigern. Dies bewiesen nicht nur die mittlerweile fast 100 Modellversuche in den öffentlichen Verwal­tungen. „Wer Leistung will, muß Sinn bieten!“ – Auf dieses Buch von Walter Böckmann habe ich in Kapitel 2 bereits einmal kurz hingewiesen. Ich tue es nochmals, denn hieraus kann man so vieles lernen, was viele Verwaltungen ohne große organisatorische Änderung bereits einen guten Schritt auf dem Weg zu einer neuen effektiveren Verwaltung bringt.

Sicher gibt es auch kritische Stimmen zur Reform der öffentlichen Verwaltung. Eine solche, und auf jeden Fall eine gewichtige, kommt vom Eingangs zitier­ten Forschungsinstitut der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Der dort lehrende Prof. Heinrich Reinermann zog in der DGB-Zeit­schrift BEAMTE HEUTE Ende 1994 als Bilanz, daß „…so überzeugend die Bot­schaft der neuen Verwaltungskonzepte klingt, dennoch der Glaube an ihre Umsetzung fehlen mag. Werden Politik und Verwaltung die Kraft und die Geduld aufbringen, den Wechsel von einer bürokratischen und staatswissen­schaftlichen Verwaltungsauffassung zu einer innovativen, reagiblen und dienstleistungsorientierten Verwaltung mit marktwirtschaftlichen Elementen zu bewältigen?“ In der Tat: Oft genug sind Reformen in den Ansätzen stec­kengeblieben, meist jedoch aus Gründen der Bequemlichkeit. Anders als Prof. Reinermann sehe ich diese Gefahr bei der neuen Verwaltung nicht. Obwohl es zunächst so aussah, als wolle die öffentliche Verwaltung einem Wandel aus­weichen muß doch spätestens seit Anfang der Neunziger Jahre jedem Betrof­fenen klar sein, daß allein schon die Finanzsituation der öffentlichen Hand er­hebliche Veränderungen am Status Quo mit sich bringen wird. Reinermann hat dennoch aus meiner Sicht ein Argument auf der Habenseite, welches die Halbherzigkeit und damit die Bequemlichkeit der Politiker deutlich be­schreibt: Die oft geäußerte Hoffnung auf ein kräftiges Wirtschaftswachstum. Dieses soll dann, so die Hoffnung der Politiker, die leeren Kassen füllen und den Strukturwandel doch noch vermeidbar machen. Doch ein wirtschaftliches Wachstum vermeidet den Umbau der Verwaltung nicht; es wird ihn be­schleunigen. Denn, nachdem die öffentliche Verwaltung die finanziellen Rück­lagen und Reserven (oft wird vom „Tafelsilber“ gesprochen) auflösen mußte, wird sie daran gehen die stillen Reserven im Inneren der Verwaltung zu nut­zen.

Außerdem kann man feststellen, daß die Debatten zu Ende gehen – an der Notwendigkeit einer neuen Verwaltung gibt es keinen ernstzunehmenden Zweifel mehr. Doch: Noch ist nichts geschafft! Noch breitet sich der Staat wei­ter aus und der Bürger zahlt die Rechnung. Erst wenn hier DER STAAT er­kennbar seine Auf­gaben abspeckt, wenn er bereit ist die Grenzen zwischen privatwirtschaftlichem und öffent­lich-rechtlichem Handeln zu verwischen, kann die neue Verwaltung Wirklich­keit werden. Der Weg ist nicht einfach, doch jeder Schritt, der gegangen wird bringt uns weiter weg von dem was einmal ‚Die Verwaltung‘ war. Alle Bau­steine für sich genommen sind gewich­tig, aber erst die Kombination der Bau­steine führt zu einem Ganzen, daß mehr ist als die Summe seiner Teile. Hierzu muß sich erst einmal jeder Teilbereich der öffentlichen Verwaltung nach den an ihn gerichteten Erwartungen aus­richten. Der Austausch von Leistung und Gegenleistung mit dem Abnehmer der Leistung -man sollte hier wirklich ‚Kunde‘ anstelle von ‚Bürger‘ sagen- wird über die Daseinsberechtigung mit entscheiden, die im übrigen immer aufs Neue nachzuweisen sein wird. Um zudem auf Veränderungen der Kun­denbedürfnisse schneller und umfassender reagieren zu können, wird die Hierarchie umzukehren sein; zumindest ist aber die kooperative Zusammen­arbeit der Beschäftigten mit dem eigenen Verantwortungsbereich eines jeden Mitarbeiters hierbei unabdingbar.

Führungsaufgaben sind deutlich von Fachaufgaben zu trennen, denn Führen in der neuen Verwaltung muß bedeuten: Schaffung von optimalen Arbeitsbe­dingungen und eines Klimas, in dem aufgabenorientiertes Lernen ermöglicht wird. Dies geht nicht durch ein Festhalten am Prestigedenken. Der Leiter ist nur insoweit etwas besonders gegenüber seinen Mitarbeitern, als daß er als Vorbild Leitbilder schafft und die Arbeitsrichtung bestimmt. Die neue Verwal­tung wird sich bei der Erledigung ihrer Aufgaben auf ihre Stärken konzentrie­ren müssen und hat da, wo sie Schwächen zeigt, andere Einflüsse von Außen in ihre Arbeit miteinbeziehen. Manche Teile der Verwaltung werden mehr er­folge haben als andere, aber aus dies spielt inZukunft nicht mehr die Rolle, wie in der Vergangenheit. Jede Verwaltung wird so schwach sein wie ihr schwächstes Glied, sodaß für Eitelkeiten keine Platz mehr ist. Dies umso we­niger, als kein Modul der Verwaltung wichtiger sein wird als das andere, denn jedes Segment hat seine spezielle Aufgabe und Aufgabenüberschneidungen wird es nicht mehr geben.

DAS Modell der neuen Verwaltung gibt es nicht und wird es auch nie geben. Differenziert wird man die eigene Verwaltung zu durchleuchten haben, um festzustellen, was hier machbar ist und was dort keinen Sinn hat. Doch, wie schon Aristoteles sagte: „Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen!“. Und Paretos Gesetzlichkeiten zeigen uns, daß man mit zwanzig Prozent Aufwand Achtzig Prozent Erfolg haben kann. Diese Regeln muß man auch auf den Umbau der Verwaltung anwenden. Und es ist wichtig, Leitbilder und Philosophien über die eigene Verwaltung hinweg zu entwickeln und vielleicht auch in Rechts­normen aufzunehmen, denn: Die Zeiten für einen echten Umbau der Verwal­tung sind derzeit günstig wie nie zuvor. Sogar die traditionell eher skepti­schen Sozialdemokra­ten (wie Simonis oder Grandtke) treiben die Entwicklung voran; manchmal glaubt man sogar, die geflügelten Worte zu hören: „Wer (beim Umbau der Verwaltung) zu spät kommt, den bestraft das Leben!“.

Geschrieben von und © 1995, ergänzt 2021 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining

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