„Auch die Fische des Königs haben Gräten.“ (unbekannter Verfasser)
Wenn ich beim Punkt der „Kooperativen Zusammenarbeit“ der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung nochmals mit dem Einleitungszitat von Peter Drucker aus dem vorherigen Kapitel beginne, so hat das seinen besonderen Grund. Denn Drucker schreibt ja in seinem Buch „Neue Realitäten“: „Die Norm der Zukunft werden Organisationen bilden, die sich hauptsächlich auf Information stützen. Es werden größtenteils Spezialisten in ihnen arbeiten, die ihre Leistung durch einen ausgeklügelten Informationsaustausch untereinander und mit Experten selbst steuern und regeln. Die Verwaltung der Zukunft wird die einer auf Information basierenden Organisation sein.“ Dies ist absolut richtig und mit der kooperativen Zusammenarbeit der Beschäftigten, hier speziell der Informationsaustausch und -fluß, wird der entscheidende Schritt zu tun sein um der neuen, schlanken Verwaltung die größtmögliche Effektivität zu geben.
Ziel der Arbeit der öffentlichen Verwaltung ist es, die ihr gestellten Aufgaben möglichst schnell, umfassend und kostengünstig zu erfüllen. Hierzu werden fast alle Verwaltungen hierarchisch geführt, was vielerorts von den Führungsverantwortlichen leider noch mit einem autoritären Führungsstil gleichgesetzt wird. Sie wehren sich gegen die Einführung eines kooperativen Führungsstils oftmals mit dem Argument, daß dies mit der Beibehaltung von Hierarchie nicht vereinbar sei. Doch auch bei Anwendung eines kooperativen Führungsstils werden das Direktionsrecht des Vorgesetzten und die Weisungsgebundenheit des Mitarbeiters beibehalten; hierbei werden aber die Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ganz überwiegend dadurch geprägt, daß diese bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in sinnvoller Arbeits- und Funktionsteilung eng und vertrauensvoll zusammenwirken.
In den vergangenen Jahren wurden bereits in den verschiedensten Bereichen der öffentlichen Verwaltung Leitlinien erarbeitet und umgesetzt, welche die wichtigsten Regeln für die Zusammenarbeit und Führung in der Verwaltung beinhalten. Der kooperative Führungsstil, welcher eine den Bedürfnissen der modernen Verwaltung angemessene Zusammenarbeit und Führung ermöglicht, wurde durch diese Leitlinien in der Arbeit der jeweiligen Verwaltung verankert; so geschehen bereits 1979 von der Landesregierung Baden-Württembergs, später dann auch von vielen kommunalen Verwaltungen.
Leitlinien zur koopereativen Zusammenarbeit ergänzen üblicherweise die Regelungen in der Allgemeinen Geschäftsanweisungen, Dienstanweisungen, Verwaltungs- und Dienstordnungen, welche vom Rechtscharakter und Zweck her aber unverändert bleiben, und sollen unter anderem:
– Grundsätze und Methoden der Führung darlegen /// – Aufgaben, Pflichten und Rechte der Vorgesetzten und Mitarbeiter aufzeigen /// – eine sachgerechte Aufgabenerledigung sicherstellen.
Dabei wird jedem Bediensteten aufgegeben, in seinem Bereich der Verwaltung für die Verwirklichung der Grundsätze zu sorgen. Besondere Verantwortung fällt dabei den Leitern bis hin zur jeweiligen Verwaltungsspitzezu, da diese dafür zu sorgen haben, dass bei der täglichen Arbeit nach den Grundsätzen der Leitlinien verfahren wird.
Während es im ersten Teil der Leitlinien um den Zweck und den Geltungsbereich geht, behandelt der zweite Teil die Grundlagen des kooperativen Führungsstils. Hierbei werden die Grundsätze für das Zusammenwirken zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern definiert und die Behebung von Meinungsverschiedenheiten behandelt.
In den Abschnitten „Delegation von Verantwortung“ und „Information und Informationsfluß“. Beim kooperativen Führungsstil ist erforderlich, daß grundsätzlich jedem Mitarbeiter – ungeachtet der dem Vorgesetzten verbleibenden Verantwortung – ein Aufgabenkreis zur eigenverantwortlichen Bearbeitung zugewiesen wird, für den speziell er die Handlungsverantwortung trägt. Diese Delegation von Verantwortung setzt klare Ziele, eine zweckentsprechende gegenseitige Information von Vorgesetztem und Mitarbeiter z. B. durch Mitarbeiterbesprechungen und eine wirksame Kontrolle der Arbeitsqualität voraus. Letztes wird ebenfalls in einem eigenen Abschnitt behandelt.
Außerdem geht es in den Leitlinien z. B. um die Vorbereitung der Mitarbeiter auf Stellvertretungsaufgaben oder um besondere Formen der Verwaltungsarbeit.
Beim der Einführung von solchen Leitlinien werden immer wieder zwei Fragen gestellt. Zum einen: „Warum braucht unsere Verwaltung solche Leitlinien?“ und zum anderen: „Was geschieht, wenn sich nach ihrer Einführung nichts verändert?“. Genau betrachtet nimmt die zweite Frage die Beantwortung der ersten eigentlich schon voraus: In vielen Bereichen der jeweiligen öffentlichen Verwaltung wird bereits – ob bewußt oder unbewußt sei einmal dahingestellt – entsprechend dem Ziel einer kooperativen Zusammenarbeit gearbeitet; hier wird sich erfahrungsgemäß wenig ändern und hier bräuchte man die Leitlinien de facto auch nicht. Aber in anderen Teilen dieser Verwaltung ergibt sich die Einführung einer kooperativen Zusammenarbeit der Beschäftigten garantiert aus der Sache, bzw. aus der täglichen Arbeit so wie sie sich für Vorgesetzte und Mitarbeiter darstellt.
Jeder Beschäftigte einer Verwaltung kann selbst prüfen, ob die Zusammenarbeit wirklich so klappt, wie es sein könnte oder angebracht wäre. Hierzu letztmals die These von Peter Drucker: „Die Verwaltung der Zukunft wird die einer auf Information basierenden Organisation sein. Es werden Spezialisten in ihr arbeiten, die ihre Leistung durch einen ausgeklügelten Informationsaustausch untereinander selbst steuern und regeln.“ Die Leitlinien nicht einzuführen hieße, sich selbst die Zukunft zu verbauen. Oder, um es mit einem anderen Beispiel auszudrücken: Man würde keine Bestimmungen über Unfallschutz erlassen, weil nur manchmal jemand einen Unfall hat. Dies ist nicht der richtige Weg! Einmal als Leitlinie (d.h.: nicht als Dogma) eingeführt, wird die kooperative Zusammenarbeit der Beschäftigten tief positiv in die Arbeit der Verwaltung eingehen. Sie wird dazu beitragen, die Arbeit zu erleichtern und den Arbeitserfolg zu erhöhen und fordert dann zu eigenständigem und verantwortungsbewußtem Handeln aller Beteiligten (Vorgesetzte wie Mitarbeiter) auf bzw. eröffnet hierfür die notwendigen Freiräume.
Geschrieben von und © 1994 – 1995 für Rainer W. Sauer / CBQ Verwaltungstraining