SELBSTREFELEKTION (III) | ROUTINEN oder RITUALE: Was ist der Unterschied?

„Ich habe keine Rituale – bis auf Sachen, die man immer wieder gleich macht.“ (Michael Ballack)

Oft werden sie verwechselt, doch gibt es (mindestens) einen wesentlichen Unterschied zwischen Ritualen und Routinen. Routinen sind persönliche Verhaltensweisen, Rituale dagegen wiederkehrende Ereignisse auf der gesellschaftlichen Ebene, wie etwa Geburten und Begräbnisse, Ostern, Weihnachten, Ferien, wie auch auf der individuellen Ebene (= Stammtisch, jedes Jahr in den gleichen Ort zum Urlaub, Wandern mit Freunden etc.). Auf Rituale kann sich ein Mensch verlassen, weil er sie sehr gut kennt und nicht jedes Mal neu darüber diskutieren und entscheiden muss, wie er damit umgeht. Seit mehr als 100.000 Jahren gibt es Opfer- und Bestattungsrituale. Unseren Ahnen waren rituelle Handlungen als besondere Ereignisse wohlvertraut, um mit Dingen oder Ereignissen umzugehen, die sie sich aus ihrem Alltag heraus nicht oder nur unzureichend erklären konnten und sie gab es in jeder Kultur.

Eine Routine dagegen wird wesentlich öfter ausgeübt als ein Ritual. Sie ist Gewohnheit und nur schwer wieder los zu bekommen. Das bekannte Sprichwort „ALLES DER REIHE NACH“ drückt sie nahezu perfekt aus, zeigt es doch unser Beharren auf Abläufen, die uns Sicherheit vermitteln und nur schwer von uns selbst erkannt werden. Negative Gewohnheiten werden uns daher oft erst durch Außenstehende bewusst gemacht. ZUerst ärgert man sich als ROUTINIERTER MENSCH, der im Grunde immer nur gelobt werden möchte. Aber nur durch die Außensicht der Anderen können wir sie uns abgewöhnen. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass wir veränderte Routinen nutzen können, um positive Gewohnheiten zu entwickeln. Letztlich zeigt uns die Routine, wer wir sind und wie wir „ticken“. Jedoch: negative Routinen schleichen sich leicht in den Alltag ein (= Zähne putzen vergessen), während positive Routinen in aller Regel bewusst entwickelt werden müssen.

Verhalten wir uns in ähnlichen Situation regelmäßig gleich, entwickeln wir Routinen. Das Duschen nach dem Aufwachen hat sich bei vielen Menschen als Routine zwischen Toilettengang und Zähneputzen etabliert. Morgens zu duschen mache uns munter, so wird gesagt. Andererseits kann das abendliche Duschen dabei hilfreich sein, morgens wichtige Zeit zu sparen und es helfe zudem, runterzukommen und entspannt den Abend ausklingen zu lassen.

Es gibt die unterschiedlichsten Wege, eine Routine auszuüben. Sport zu treiben oder zu kochen, an bestimmten Tagen nicht fernzusehen, am Wochenende jemanden anrufen, eine bestimmte Tasse zu nutzen, bestimmte Wege zu gehen. Wichtig ist nicht, welche Routine/n Sie haben – wichtig ist nur, dass Sie ausgeübt werden, denn eine Routine beschützt Sie, sie gibt Ihnen Verlässlichkeit, weil es Teil Ihrer Identität ist. Am Beispiel eines Hundes zeigte der Wissenschaftler Iwan P. Pawlow die Konditionierung auf; ein Forschungsprojekt, welches unmittelbar mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde. Pawlow fütterte einen Hund über einen längeren Zeitraum hinweg und läutete kurz vor jeder Fütterung eine Glocke. Schnell war dem Hund klar, dass „Glocke läuten“ (= Trigger) und „fressen“ (= Action) eine Routine bildeten, worauf sein Speichel zu fließen begann, wenn die Glocke geläutet wurde, selbst, wenn es kein Futter gab.

Auf der anderen Seite ist das Ritual eine bestimmte und bewusste Abfolge von Schritten, die wir auf bestimmte Weise ausführen. Rituale sind starrer als Routinen, deswegen müssen sie auch immer wieder hinterfragt („Wollen wir das wirklich?“) und /oder angepasst werden. Für Außenstehende mögen Rituale nicht immer nachvollziehbar sein, weil deren Bedeutung sehr spezifisch für eine Kultur oder auch nur für eine Familie sein kann. So gibt es verschiedene Regeln und eine Menge unterschiedliche Wege ein Ritual durchzuführen, beispielsweise Weihnachten und die Gewohnheiten was wann gegessen wird. Routinen gewinnen immer mehr an Bedeutung, je öfters man sie wiederholt, während ein Ritual wie ein guter Wein ist, den man an besonderen Tagen genießt. Festzuhalten ist: Routinen prägen Ihre Identität, mit Ritualen drücken Sie sie aus.

Wertschätzen Sie also sowohl Ihre Rituale als auch die persönlichen Routinen, denn beide sind für Sie gut. Respektieren Sie sie, aber bitte verändern Sie sie, wenn sie Ihnen nicht mehr dabei helfen, sich wohlzufühlen oder Ziele zu erreichen. Denn unser ganzes Leben unterliegt unzähligen Zufälligkeiten und befindet sich in stetigem Wandel. Deshalb achten Sie auf Ihre Routine wie Rituale und reagieren sie rechtzeitig auf Veränderungen.

Geschrieben von Rainer W. Sauer und © 2021 für BRAIN.EVENTS / CBQ Verwaltungstraining

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