SCHALTER IM KOPF? (9) | Das „Abschalten“ ist für Körper und Seele unabdingbar

„… und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen.“ (Astrid Lindgren in „Pippi Langstrumpf“ )

TEIL 1

Einer der ganz wichtigen Schalter in unserem Kopf ist der zum ABSCHALTEN. Wenn jemand ständig „unter Strom“ steht, von Gedanken, Projekten oder Zielen einfach nicht loslassen kann, dann gibt es aus der Familie heraus oder von Freunden, Bekannten, KollegInnen oft den gut gemeinten Ratschlag: „Du must einfach mal abschalten …“, wobei das Entspannen an sich, das Herunterkommen aus einer speziellen Situation gemeint ist. Denn dieses „Abschalten“ ist wichtig für Geist und Körper. Aber es gibt auch noch eine zweite, ganz andere Bedeutung, die für die mentale Gesundheit unserer Psyche wichtig ist – doch alles der Reihe nach.

Das entspannende Abschalten

Es kann tatsächlich sinnvoll sein, die Elektronik um uns herum von Zeit zu Zeit einfach mal abzuschalten. Zum einen ist es nicht lebensnotwendig, dass Smartphone, Laptop, Tablet, TV-Gerät und Co. ständig „im Hintergrund laufen“. Es ist eine Unart unserer heutigen Zeit, jede Minute auf das Handy oder die Smartwatch zu schauen, um regelmäßig zu prüfen, ob man eine neue Nachricht, eine Mail oder Likes bekommen haben. Ganz zu schweigen davon, dass man durch die Stadt läuft und dabei den Straßenverkehr kreuzt, mit einem auf das Smartphone fixierten Blick. Sie kennen die bildliche Darstellung des Menschen vom Neanderthaler mit bebücktem Schlurfen hin zum Menschen der Neuzeit und seinem aufrechten Gang. Derzeit hat man den Eindruck, als degeneriere er wieder zur gebückten Haltung – zumindest beugen sich viele von uns beim schlurfewnden Blick auf das Smatphone wieder leicht nach vorne. – Schalten Sie das ab, nehmen Sie sich Auszeiten und gehen zu ab und einfach offline!

Das „zur Ruhe kommen“, das ENT-spannen von Körper und Seele, die ENT-LASTUNG der Psyche erzeugt eine physische Entspannung. Durch das virtuelle Drücken des ABSCHALTEN-Schalters in ihrem Kopf können Sie den Stress des Alltags hinter sich lassen, beschäftigen sich für eine gewisse Zeit mit nichts weiter als ihre Ängste und Sorgen hinter sich zu lassen. Erinnern Sie sich noch an den Text des Reinhard Mey Songs: „Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen und dann würde was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“ Durch Abschalten wird ihre Seele leicht und steigt nach oben über die Wolken der Dinge, die Ihnen Verdruss bereiten.

Abschalten als ENT-SORG-UNG

Ich will Ihnen mal was sagen … und das nun schon seit Jahren. Manchmal ist in ihrem Oberstübchen auch eine Gedanken-Müll-ENT-SORG-UNG notwendig. Natürlich gab es da auch viel Kritik für diesen Begriff, denn der Mensch hängt doch sehr an seinen privaten Komödien und Tragödien, die sich in der Erinnerung eingeprägt haben. „Konflikte sind das Salz des Lebens“ beschrieb es einst meine Coaching-Kollegin Gabriele Kunze-Krause, was ich mit „Konflikte sind nichts anderes als der Pfeffer des Lebens“ konterte. Ja, doch, sie würzen unser Dasein, weil es sonst vielleicht unsäglich öde wäre. Zuviel Salz verdirbt aber auch das Essen und mit zu viel Pfeffer ist es zwar nicht ungesund, aber unschmackhaft.

In unserem Geist sammelt sich mit der Zeit sehr viel Gedanken-Müll an, der das klare Denken blockiert und weg muss. Liebeskummer, der an Intrigen gescheiterte Hauskauf, die immer noch nicht verarbeitete Verbitterung nach einem Vertrauensbruch, der nette Kunde, der ein großes Geschäft versprach und einfach nicht mehr für einen erreichbar ist. „Wieso, weshalb, warum?“-Fragenspiralen drehen sich in unserem Kopf. Dinge, die im „Es ist zum Heulen“-Level etwas niedriger angesiedelt waren, sind längst vergessen, aber wer hohe oder falsche Erwartungen hatte, ist mit einem Mal so enttäuscht, verbittert oder ratlos, dass der Erinnerungs-Abfall entsteht. Eine Enttäuschung trifft uns oft sehr hart, weil wir erkennen mussten, dass unsere Wunschvorstellung nicht mit der Realität übereinstimmte. Wenn der eigene Stolz verletzt ist und die Welt scheinbar unter einem zusammenbricht, fängt sich die Gedankenspirale an zu drehen.

Gut, dass man zum ENTSORGEN des Gedanken-Mülls keine großen Container bestellen muss. Wenn man es nicht schafft, doch noch das persönliche Gespräch zu suchen, um Antworten zu bekommen, ist es Zeit den Schalter im Kopf zu suchen, der die toxischen Gedankenspiralen abschaltet. Denn Abschalten lässt sich üben und ist auch gar nicht so schwer, wie man vielleicht annimmt – man muss sich nur trauen. Auch wenn manche sagen „Wieso abschalten? So anstrengend ist mein Leben doch nicht und vor allem: Ich bin belastbar.“ ist doch kein Mensch unsterblich. Wer nicht abschalten kann oder will, riskiert ernsthafte gesundheitliche Folgen wie Erschöpfung, Konzentrations- und Schlafstörungen, Depressionen, ist reizbarer, neigt zu emotionalen Ausbrüchen, hat oft Kopfschmerzen. All das sind überwiegend psychische Erkrankungen, die wahrscheinlich mit Herz-Kreislauf-Problemen einhergehen.

TEIL 2

Es ist der Zeitgeist, dass Mitmenschen, die sich eine kleine Auszeit vom alltäglichen Leben erlauben, als schwach oder faul angesehen werden. Gegen Auszeiten sprechen auch der Druck der Leistungsgesellschaft oder die Beastung durch gleich mehrere Jobs. „Wie kann man da abschalten?“ heißt es da oft, im Grunde ist das „Herunterfahren“ ebenso wie das Entsorgen des Erinnerungs-Abfalls und Gedanken-Mülls ganz einfach, wenn man es in Form von fünf Stufenanwendungen macht:

SA1 = Nutzen Sie Rituale! – Wenn sie beispielswiese jeden Arbeitstag auf die gleiche Art und Weise beenden, dann setzen Sie sich selbst das Signal: Nun lasse ich die Arbeit lasse ich hinter mir und es geht ab in die freie Privatzeit. Ein solches Ritual muss jetzt nicht unbedingt das Aufräumen des Werkzeugs oder das Verlassen der Firma sein. Ein bekannter Bauunternehmer aus Rosenhein sagte mir einmal: „Am Ende jeden Arbeitstages liegt auf meinem Schreibtisch nur noch ein Blatt Papier. Darauf sind meine Ziele und Aufgaben für den nächsten Tag. Kein Ordner, keine Akte, kein Brief liegt auf dem Schreibtisch, nur dieses eine Blatt.“

SA2 = Betätigen Sie sich sportlich! – Klingt profan, ist aber der Klassiker für körperliches und mentales Entspannen. Wenn Sie sich beim Sport AUS-POWERN können Sie jede Menge Stress abbauen, gleichzeitig Glückshormone produzieren und bekommen den Kopf wieder ein wenig frei von negativen Gedanken. Ob beim Laufen oder im Fitnessstudio, beim Fahrradfahren oder einem längeren Spaziergang, bei dem Sie die Umwelt mit allen Sinnen wahrnehmen: so können sie gut Abstand zu ihren Gedanken finden.

SA3 = Schaffen Sie sich bewusst erlebte Zeit mit der Familie, dem oder der Liebsten oder Freunden! – Wir alle sind im Grunde soziale Wesen, weshalb interaktive Beziehungen essentiell für das Wohlbefinden sind. Und wenn Sie den Schalter in Ihrem Kopf auf „Abschalten“ stellen, können Sie das Ganze noch ergänzen, wenn Sie die darauf folgende Zeit mit Menschen verbringen, die Ihnen gut tun. Dabei sollten Sie sich thematisch auch anderen Themen widmen, als denen, die Sie seelisch belasten. Obwohl: Sorgen kann man sich am besten mit guten FreundInnen von der Seele reden, denn auch dafür sind sie da.

SA4 = Schieben Sie schlechte Gedanken beiseite! – Sprichworte haben immer einen Ursprung. Bevor mein Enkel reden konnte, kommunizierte er Ablehnung dadurch, dass er Dinge mit der Hand abwehrend wegschob. Sobald Sie merken, dass ihre Gedanken in der Phase des Abschaltens zurück zu ihren Sorgen und Problemen wandern, wenden Sie den sog. Gedanken-STOPP an, weil das gedachte oder auch laut ausgesprochene Wort „STOPP“ ein gutes Signal an Ihren Geist ist. Haben Sie die negativen Gedanken gestoppt, dann schieben sie sie vehement weg. Das geht auch mit toxischen Gedanken-Spiralen. Überlegen Sie, weshalb Sie sich so schlecht fühlen und warum die Situation Sie so aufwühlt. Schreiben Sie alles auf, denn das Aufschreiben verschiebt als Selbstreflexion den Verdruss aus dem Kopf nach außen und nimmt viel von der Wut und dem Frust, die innerlich brodeln. Anschließend kann man den Zettel zerknüllen, verbrennen oder anders vernichten und damit die Enttäuschung loslassen. Denken Sie sich anschließend: „Ich möchte jetzt einfach Spaß an etwas haben, was mir gut tut.“ Und sprechen Sie laut aus: „Es ist sinnlos, meinen Gedanken-Müll weiter mit mir herumzuschleppen. Das Leben hat für mich so viel neues ung Gutes zu bieten.“

SA5 = Entwickeln Sie Dankbarkeit und finden Sie Ihr Glück! – Zum Abschalten braucht es Zeit, Zeit in der Sie sich auch um sich selbst kümmern dürfen. Dabei ist es notwendig, dass Sie sich möglichst gut fühlen. Lesen Sie zum Einstieg in die Entspannung ein Buch (… selbst ein Anlesen reicht …), duschen Sie oder lassen Sie sich ein Bad ein. Gönnen Sie ein Lieblingsessen, egal welche Kaloriensünde dies für ihren Körper ist oder legen Sie sich auf die Couch und denken Sie sich mit Goethe: „Glücklich allein ist die Seele, die liebt.“ Richten Sie zudem Ihre Achtsamkeit gezielt auf all die Dinge, für die Sie dankbar sein dürfen. Beispielsweise Ihre Gesundheit, die Familie, der Bekanntenkreis aber auch kleine Dinge, wie ein schöner Tag oder ein nettes Erlebnis. Und geben Sie Glück weiter, denn andere Menschen unerwartet ein wenig glücklich zu machen, fällt auf den Glücksgeber zurück. Glück weiterzugeben hilft durchaus, zu entspannen oder abzuschalten und im Grunde gibt es Niemanden, der Sie besser kennt als Sie selbst. Also entscheiden Sie für sich ganz allein, wass Sie sich oder anderen „gönnen“ um optimal abzuschalten.

Geschrieben von Rainer W. Sauer und © 2021 für BRAIN.EVENTS / CBQ & CBQ blue.

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