VERGESSEN UND VERDRÄNGEN | Unbewusste Algorithmen in unserem Handeln (3/3)

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Hast Du Dich jemals gefragt, warum Du plötzlich im Wohnzimmer stehst und nicht mehr weist, „Warum bin ich jetzt hier?“ Oder weshalb löst ein alter, viele Jahrzehnte lang nicht mehr wahrgenommener, Geruch aus Kindertagen auf einmal Emotionen auslöst, obwohl Du ihn längst „vergessen“ hattest? Vergessen ist kein „Fehler im Programm“, kein Manko in der Funktion Ihres Geistes. Ganz im Gegenteil: es ist eine der wichtigsten Funktionen unseres zentralen Denkorgans, denn das ist kein statisches Archiv, sondern ein dynamisches Netzwerk aus Synapsen. Heißt: Informationen, die wir nicht regelmäßig nutzen oder emotional „verankern“ werden nach und nach dem direkten Zugriff entzogen und hierdurch schwerer zugänglich gemacht.

Wenn wir Dinge vergessen ist das also in aller Regel keine Fehlfunktion, sondern eine Effizienzfunktion unseres Oberstübchens , das ständig priorisiert: – Was ist relevant? /// – Was brauche ich zum Überleben (körperlich und sozial)? /// – Was kann erst einmal „weg“? Aber das, was wir vergessen, ist im Grunde nicht wirklich „weg“, es ist nur nicht bewusst abrufbar – aber viele dieser Informationen, Sinneseinsdrücke, Emotionen wirken im Hintergrund weiter.

Es ist auch zu unterscheiden zwischen Verdrängen und Vergessen, denn die Ausblendung von Wissen / Emotionen / Sinneseindrücken ist eine Art geistiger Schutzmechanismus nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Beispiel: Du erlebst etwas Traumatisches … und verdrängst es. Das Erlebte verschwindet damit aus Deinem bewussten Denken und belastet dich nicht mehr, beeinflusst aber unterbewusst weiter Dein Verhalten. Daraus entwickeln sich innere Muster, unbewusste Entscheidungen, ja sogar körperliche Reaktionen. Das Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“ ist damit leider ein Trugschluss.

FAZIT: Vergessen ist eine nützliche Effizienzfunktion unseres Oberstübchens, Verdrängung hingegen eine Form der Selbsttäuschung, die es ermöglicht, das Bild, das man von sich selbst hat („Eigentlich bin ich doch ein guter Mensch.“) aufrechtzuerhalten. Im Coaching liegt der Fokus daher darauf, das Verdrängte bewusst zu machen und mit den Klienten zu klären, was die betreffende Person wirklich will. Genau das entfaltet oft eine Art „heilende Wirkung“, denn erst wenn Du selbst erkennst, dass Du beispielsweise nicht wirklich faul bist, kannst Du an Deiner Persönlichkeit arbeiten, weshalb die Inschrift auf dem Apollotempel von Delphi, „Erkenne dich selbst“, richtig Sinn macht.

Geschrieben von Rainer W. Sauer und © 2021 bis 2022 für BRAIN.EVENTS / CBQ & CBQ blue

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